Splitternest
besser machen. Gharax ist verloren, aber eine neue Welt entsteht. Dieses Mal werde ich vorsichtiger mit der Magie umgehen. Ich verspreche es.« Er klang trotzig. »Mondschlund war es, der dich erschlug, nicht ich. Er war es, der Athyr’Tyran in Trümmer legen wollte – um seine eigene Stadt zu erschaffen. Sein Werk ist fast vollendet … und ich bin hilflos, denn ich kann seine Stadt nicht betreten. Aber wenn ich dich zu ihm schicke, deinen Geist – dann kannst du Athyr’Tyran auferstehen lassen, in Mondschlunds Verlies. Vertreibe ihn aus seinen dunklen Gängen. Dann wird alles so sein wie am Anfang, ehe wir auseinander gerissen wurden.«
Sie rückte von ihm fort. »Nichts wird so sein wie am Anfang. Du kannst den Mord an mir nicht ungeschehen machen, und ich kann dir nicht helfen.«
Sternengänger schwieg kurz. »Ich frage dich nicht um Hilfe. Ich fordere sie!« Er blickte auf die Schiffe der Goldéi. »Ich habe einen neuen Leib, und das macht mich so viel mächtiger als dich. Du musst gehorchen. Sieh auf die Maske … spürst die Kraft des Goldes? Sie wird dich ins Verlies treiben, und du wirst tun, was ich verlange!«
Kahida stöhnte auf. Ihre langen Haare verdeckten das Gesicht.
»Hörst du, was ich sage? Geh ins Verlies, Kahida! Nimm die Gänge in Besitz. Wenn ich die Erweckung dieser Geisterstadt schon nicht verhindern konnte, sollst wenigstens du über sie herrschen, über ein zweites Athyr’Tyran … nicht Mondschlund, dein Mörder.«
Er sah mitleidlos auf das kleine Mädchen, das auf dem Stein lag und weinte. Kahida hatte ihre Gestalt gewechselt.
»Du musst dem Gold gehorchen«, zischte Sternengänger. »Du musst ins Verlies schreiten und Mondschlund zum Schweigen bringen. Du kannst seine Geister beherrschen, ihn verjagen … sein Lied darf niemals mehr auf dieser Welt zu hören sein, und ich …«
Eine Bewegung ließ ihn herumfahren. Im Schatten der Mauer war ein Geräusch zu hören, ein Knistern, so wie Papier, das sich entfaltete.
»Was ist das?« Sternengänger taumelte. »Wir sind nicht allein, Kahida! Wer lauert dort im Schatten?«
Das Mädchen auf dem Stein nickte. »Ich kann nicht mit dir gehen, Geliebter, nicht das Verlies erobern, wie du es verlangst. Die Menschen wollen nicht mehr auf dich hören, begreifst du das nicht?«
Nun sah Sternengänger die Hände. Sie hielten zwei Scherenschnitte. Der Schatten der Mauer formte sich zu Figuren; zu einer Schlange, die auf dem Geröll ihren Leib ausstreckte, und einem Falken, der den scharfen Schnabel aufriss.
»Ein Diener Mondschlunds!« schrie Sternengänger. »Du hast mich … getäuscht, Kahida! Mich hintergangen!«
Aus dem Schatten trat ein Mann hervor. Es war Aelarian Trurac. Die Figuren in seinen Händen zitterten. »Das sagt genau der Richtige. Und was mich betrifft, so bin ich gewiss kein Diener Mondschlunds. Schon lange nicht mehr!«
Die Schlange peitschte über den Boden auf Sternengänger zu, wand sich um seine Beine. Die Silberklauen schreckten auf, hilflos, verängstigt. Und der Falke erhob sich, flatterte auf den Zauberer zu, hackte nach der goldenen Maske. Er trieb Sternengänger zum Wasser zurück.
»Nimm … diese Figuren fort«, heulte Sternengänger. »Wenn du … mich jetzt tötest, sind die Menschen verloren! Jemand muss … sie doch fortbringen! Nur ich … kann es!« Er rief nach den Silberklauen; doch die Beschlagenen verharrten in der Luft, sie konnten die Schatten nicht greifen, sie konnten ihm nicht helfen.
»Es ist wahr, was er sagt.« Kahida hatte sich aufgerichtet. Sie blickte hinaus auf das Meer. Die Sonne ging auf. Ihre Strahlen tanzten auf den Wellenspitzen. »Gharax kann niemand mehr retten. Du musst ihn ziehen lassen, Aelarian.«
Der Großmerkant hob die Figuren gegen das Sonnenlicht. »Ja, ich muss ihn ziehen lassen … Aber er soll es nicht wagen, noch einmal herzukommen. Hör mich an, Sternengänger! Ich nehme mir das Recht, im Namen all jener zu sprechen, die hier auf Tyran den Tod fanden, weil du die Sphäre beherrschen wolltest: Kehre niemals zu dieser Insel zurück!«
Die Sonne stieg höher, so schnell, so rot … Die goldenen Schiffe vor Tyrans Küste funkelten in ihrem Licht. Sternengänger wurde von den Schatten auf das Wasser geschleudert. Er schlug um sich, stieß den Falken fort, der die Schwingen über ihm ausbreitete. Je höher die Sonne stieg, je heller das Licht wurde, desto mehr verblassten die Schatten, wurden grau wie die Wellen, wie der Himmel. Aber Sternengänger hatte Tyran nun
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