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Splitternest

Titel: Splitternest Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Markolf Hoffmann
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schickte vor ein paar Tagen Männer aus, um die Küste abzuschreiten. Sie kehrten rasch zurück, denn westlich von Rhagis standen sie im Schlick, vor ihnen das tobende Meer. Sie konnten das Land nicht finden …«
    »Weil sie nicht die Sphäre durchschritten haben, wie ich und Cornbrunn. Wir durchquerten das Verlies und können deshalb die neue Welt sehen.« Aelarian fuhr zu seinem Leibdiener herum. »Dann ist dies kein Zufall, kein Trick des Schattenspielers! Wir stehen längst auf Sternengängers Kontinent!«
    »Und dort hat schon die erste Kneipe aufgemacht«, sagte Cornbrunn grinsend. »Das lässt hoffen!« Er packte den Großmerkanten am Ärmel. »Vergesst nicht, was Aldra uns sagte! Euer missratener Schüler Uliman folgt uns mit seinen dunklen Schwingen. Der Schwarze Schwan! Der Hauch von Nekon!« Seine Augen wanderten zur Kette. »Warum hat der Schattenspieler sie Euch überlassen, Aelarian? Warum gab er Euch die verfluchte Kette, obwohl er wusste, dass der Schwan ihr folgt?«
    Der Großmerkant umschloss das Kleinod in der Faust. »Ich soll zu Ende führen, was er begann. Aldra hat uns die Schatten vom Leib gehalten. Sicher tanzt er längst mit ihnen unter Schattenbruchs Zweigen und sorgt dafür, dass sie die Menschen fortan in Ruhe lassen. Mir überlässt er den Kampf gegen Uliman … und das ist nur gerecht. Dass der arme Junge in die Hände der Bathaquar fiel, ist auch meine Schuld.«
    Am anderen Tisch nickte wissend der alte Schnappes. »Ja, alte Schuld erfordert neues Handeln, mit frischem Mut und ohne lange Reden. Nur so kann sie gesühnt werden. Nur so kann man dem Fluch der Vorzeitigkeit entgehen.«
    Neben ihm ließ Eidrom von Crusco den Löffel sinken. Er platschte in den Teller, und ein zäher Schwall Suppe schwappte auf die Tischplatte. Es schien wie ein Protest gegen Schnappes’ hohle Worte; doch Eldroms Blick kündete nicht vom Fluch der Vorzeitigkeit, sondern von der Seligkeit geistiger Verwirrung. Anders hingegen Stolling. Der Gastwirt stieß ein Knurren aus, sprang zum Tisch und schubste den gestürzten König unflätig vom Schemel.
    »Du Qualle hast genug Unrat im Leuchtturm hinterlassen! Wage es nicht, mir noch die Tische zu versauen.« Er fuhr zu den Troubliniern herum. »Und nun zu euch! Hauch von Nekon? Schwarzer Schwan? Wäret ihr so freundlich, mir zu verraten, was dieser ganze Schmarren bedeutet?«
    »Dass Ihr schon bald weiteren Besuch bekommt, Stolling – ungebetenen und düsteren.« Der Großmerkant sprang auf. »Diese neue Welt ist bedroht, und mit ihr alle, die Sternengänger zu ihr führte. Wir müssen uns auf das Schlimmste vorbereiten!«
    Cornbrunn erhob sich ebenfalls. Er tastete nach Aelarians Hand. »Wir sollten lieber die Beine in die Hand nehmen. Ich habe den Schwan gesehen, Aelarian. Ihr dürft ihm nicht entgegentreten. Er ist nicht mehr der Junge, den Ihr kanntet.«
    Aelarian lächelte. »Wir alle verändern uns im Lauf unseres Lebens. Manche werden zu Feiglingen, so wie du, andere zu schwarzen Schwänen.«
    »Der Fluch der Vorzeitigkeit«, freute sich Schnappes, der unterdessen zum Schenker geschlendert war, um sich einen ›Raschen‹ zu sichern. »Nun sucht er auch die Rote Kordel heim.« Er prostete den Troubliniern mit der Tonschale zu. »Hoffen wir, dass er sich am Ende doch als Segen erweist. Es wäre ein Jammer um Stollings Schuppen, in dem wir so viele feuchtfröhliche Nächte verbringen durften.«
     
    Die Bretter knarrten. Mit entschlossenen Schritten überquerte der Priester den Steg. Er war noch jung, großgewachsen und schlank, das Gesicht schlecht rasiert. Die Schultern hingen zu weit nach vorn, als ruhe eine schwere Last auf ihnen. Tatsächlich trug er nur eine lederne Tasche, aus der eine Pergamentrolle ragte. Sein Hemd war blau und dünn, der Kragen endete in einem silbernen Saum. Die schulterlangen Haare – trotz des jungen Alters teilweise ergraut – hatte er zu einem Zopf zusammengebunden.
    Der Steg führte auf eine hölzerne Terrasse, die auf Pfeilern im Haff ruhte. Seile umspannten den Rand. Weitere Stege führten in alle Richtungen ab; zu den Pfahlbauten, in denen Venetors ärmste Bewohner ihr Dasein fristeten, und zu den Anlegeplätzen, wo die gyranischen Schiffe vor Anker lagen. Der breiteste Steg führte zum Festland, zum Turral, dem alten Sitz der vodtivischen Fürsten. Die goldenen Wände der Halle glommen im sturmgetränkten Licht.
    Am Ende der Terrasse durchbrach ein Pfahl den Bretterboden. An den wuchtigen Stamm war ein Mann gefesselt,

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