Splitternest
sein Oberkörper entblößt, die Hose in Fetzen. Es war Schaum der Prasser, der frühere Gastwirt der Hotteposse; ein breitschultriger Mann mit hübschen schwarzen Locken. Sein Gesicht wirkte stolz, wenn auch die Ausschweifungen seines Lebens und ein ausgeprägter Hang zu Anzüglichkeiten ihm eine gewisse Dreistigkeit verliehen hatten. Aufmerksam beobachtete er den Priester, der sich ihm näherte und nun vor ihm stehen blieb.
»He, Priester … hast du einen Schluck Wasser für den armen Prasser?«
Der Angesprochene zögerte. Auf einem der nahen Stege unterhielten sich zwei gyranische Wachen. Es waren Igrydes, mit Langschwertern bewaffnet. Doch sie waren zu sehr mit sich beschäftigt, um auf die Terrasse zu achten. So nestelte der Priester an seinem Gürtel, holte eine tönerne Flasche hervor und hielt sie dem Gefangenen an die Lippen. Dieser trank mit gierigen Zügen.
»Ich kenne dich«, sagte der Priester. »Du warst auf dem Schiff, das dem König auf den See folgte. Du warst dabei, als wir das neue Land erreichten.«
Schaums Lippen lösten sich schnalzend vom Tonrand der Flasche. »Mag sein, mag nicht sein. Wen kümmert das schon?« Er grinste. »Willst du mich ausquetschen, Gyraner? Das haben schon deine Landsleute versucht, selbst dein törichter König. Ich weiß nichts über das Armband und über den elenden Turmbinder! Ich habe nichts damit zu schaffen.«
Der Mann schob den Pfropf zurück in den Flaschenhals. »Mich schickt nicht der König. Ich bin ein einfacher Priester, der dir Wasser reicht.« Er rückte an den Gefangenen heran. »Aber ich habe dich gleich erkannt! Du warst auf dem Schiff, das unsere Galeere rammte und fast zum Kentern brachte. Ich habe den König selten so zornig gesehen wie damals. Es wundert mich, dass er dich und deine Spießgesellen am Leben ließ.«
»Nur wegen des Armbands, keine Sorge.« Schalim blickte den Priester scharf an. »Du weißt nicht zufällig, wo er meine Freunde hingeschafft hat? Nicht, dass ich sie sonderlich vermisse … bis auf das Weib, das eine Augenweide war. Mäulchen ist ihr Name, und die anderen beiden schimpfen sich Ungeld und Parzer, nebst ein paar anderen Kerlen aus ihrem Kaff. Es sind morthylische Fischer, und so riechen sie auch. Sag mir, wo hält Tarnac sie gefangen?«
»Ich weiß nichts darüber. Es ging damals alles so schnell … die Schiffe krachten ineinander, unsere Galeere kippte zur Seite, wir drohten zu sinken – und dann war Boden unter unseren Füßen. Feuchte, schwarze Erde.« Dem Priester lief ein Schauer über den Rücken. »Es war ein Wunder! Ich bin dankbar, dabei gewesen zu sein.«
Der Mann am Pfahl lachte. »Dafür bist du dankbar? Ich erinnere mich gut an den Tag. Ich weiß noch, wie die Gyraner meine Hände fesselten und mein Gesicht in den Schlamm drückten. Ich habe so viel von der faulen Brühe geschluckt, dass ich am Abend Sand pissen musste.« Er verdrehte die Augen, voller Zorn auf sich selbst. »Und das mir, dem Prasser … hätte ich mich bloß von den Fischern ferngehalten! Das habe ich davon. Meine Hotteposse liegt in Trümmern, meine süßen Mädchen wurden von Tarnacs Leuten geschändet, und ich stehe an diesem Pfahl wie ein Meuterer am Hauptmast. Nein, Priester, auf dieses Wunder hätte Schaum gerne verzichtet!«
»Wie kannst du nur so reden? Vor unseren Augen hat sich ein See in festes Land verwandelt! Die Götter schenken uns eine neue Welt, und du warst Zeuge ihrer Schöpfung!« Der Priester steckte die Flasche fort und zog statt dessen die Pergamentrolle aus der Ledertasche. Er entrollte sie; eine riesige Landkarte. »Zwanzig Tage sind seitdem vergangen. König Tarnac hat die neue Welt in Besitz genommen. Mir befahl er, sie zu erkunden … von der Stelle aus, an der die Schiffe ineinander krachten, schritt ich gen Süden, tagelang. Ich erreichte das Ende der Insel, das Dorf Tovir an der Südküste. Aber die Küste war verschwunden! Hier, sieh nur! Ich habe es eingezeichnet.« Sein Finger huschte über eine mit groben Strichen gezeichnete Karte. »Das Land geht immer weiter, es reicht über die Küste Vodtivas hinaus. Vier Tage lang bin ich gewandert, auf festem Grund; schwarze Erde, fruchtbarer Boden, auf dem erste Gräser gedeihen … es ist ein Wunder, und ich bin dankbar, es mitzuerleben.«
Schaum der Prasser lauschte mit einem Lächeln, das halb spöttisch, halb wohlwollend schien. »Freies, offenes Land hinter der Küste? Das ist verblüffend! Ich bin oft mit der Hotteposse dorthin gesegelt, aber
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