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Splitternest

Titel: Splitternest Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Markolf Hoffmann
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außer ein paar toten Klippen, auf denen ich nackt mit meinen Mädchen unter dem Sternenhimmel tanzte, fand ich nur Seetang und tote Fische. Ich gratuliere dir, Priester. Aber wenn es im Süden so schön ist, wieso bist du dann nach Venetor zurückgekehrt? Dort wärst du frei gewesen. Hier bist du nur ein Schreibknecht des Menschenschinders Tarnac.«
    Der Priester rollte verärgert die Karte zusammen. »Du bist ein Spötter. Ich diene dem König seit Jahren. Er ist ein Günstling der Götter. Seit die Goldéi aufgetaucht sind, wusste er, dass Gharax uns bald keine Heimat mehr sein würde. Er erkannte die Zeichen, er hat den Stimmen der Sphäre vertraut. Deshalb sind wir hier – weil die Götter uns retten wollten!«
    Schalim seufzte. Dann beugte er sich vor. »Wie ist dein Name? Und welchem Gott dienst du?«
    »Ich bin Delifor«, antwortete der Priester. »Und ich folge Candra, dem Herrn der Meere … und Tarnac von Gyr!«
    »Jaja, natürlich, Tarnac von Gyr. Aber sage mir, Delifor – hast auch du davon gehört, dass in den vergangenen Tagen viele Menschen aus dem Nichts dieses neue Land erreichten? Der König pfercht sie in den Pfahlbauten zusammen, lässt sie von seinen Kriegern bewachen, damit die ausgehungerte Meute nicht aufbegehrt. Ist dies das Werk eines Gottes? Ein Wunder? Ich kann das nicht glauben. Warum sollten die Götter uns Menschen von Gharax vertreiben? Warum überlassen sie den Goldéi unsere Städte, unsere Felder und Meere? Da will uns doch jemand zum Narren halten!« Schalim schüttelte den Kopf, so dass seine Locken herumflogen. »Aber wer bin ich schon! Ein Mädchenhändler und Saufbold … und seit neustem der Sklave des Gottkönigs Tarnac, der nur Teil von diesem üblen Spiel ist.«
    Delifor beschloss, Schalims Schmähungen besser zu überhören. »Es ist wahr … viele Menschen kommen zu uns. Ein Kind führt sie an; man sagt, es heiße Laghanos. Er hat schon Tausende nach Vodtiva gebracht. Venetor platzt aus allen Nähten, und die Vorräte werden knapp.«
    »Wunderbar. Dann werden wir bald sehen, ob deine Götter uns helfen wollen – oder ob sie zusehen, wie wir mit leeren Mägen aufeinander losgehen.« Schalim schlug den Hinterkopf gegen den Pfahl. »Renn du nur zu deinem König, schmeichle dich bei ihm ein. Ich aber sage dir: Noch sind wir nicht in Sicherheit. Es werden einige Köpfe rollen, bis wir Frieden haben.«
    Der Priester wollte etwas erwidern. Doch nun sah er vor dem Turral eine Gruppe Menschen. Sie eilten auf den Steg zu, kamen Delifor entgegen: sechs Igrydes und ihnen voran der König, Tarnac von Gyr.
    Voller Ehrfurcht verneigte sich Delifor. Die Karte entglitt seinen Fingern und entrollte sich auf den Brettern. Er wagte nicht aufzublicken, ehe Tarnac vor ihm stand.
    »Delifor. Du bist schon zurück?« Der König sprach die Worte leise, ohne Vorwurf. »Ich hatte nicht so rasch mit dir gerechnet.«
    »Ich musste umkehren.« Delifors Gesicht gewann an Farbe. »Eure neue Welt, mein König, ist so viel größer, als ich dachte, so viel herrlicher und prächtiger … sechs Tage schritt ich ohne Rast und fand doch nichts als Schönheit.«
    »Schönheit?« Vom Pfahl her klang das höhnische Lachen des Prassers. »Schwarze Morastbrocken, stinkend und faulig wie der See Velubar. Ich nenne das einen Pfuhl. Einen Pfuhl hast du uns geschenkt, König Tarnac.«
    Der König sah nur kurz zu Schalim hinüber. »Stopft ihm das Maul«, befahl er den Igrydes.
    Sie schritten sofort auf den Prasser zu.
    »Ja, stopft mir ruhig das Maul«, murmelte Schalim, nun schon kleinlauter. »Aber sagen muss es dir ja doch jemand. Warum nicht Schalim, die ehrliche Haut? Du tauschst eine blühende Welt gegen einen Pfuhl! Das ist ein schlechter Handel, Tarnac, mit wem auch immer du ihn abgeschlossen …«
    Ein Fausthieb brachte ihn zum Schweigen. Zu zweit droschen sie auf ihn ein, schlugen seinen Schädel gegen den Pfahl, bis Schalim das Bewusstsein verlor. Sie ließen erst von ihm ab, als der König die Hand hob.
    »Genug.« Tarnac bückte sich nach der Karte. »Sechs Tage bist du also gewandert, Delifor, ohne das Ende der Welt zu finden. Was hast du unterwegs gesehen?«
    »Ich bin mir nicht sicher. Am sechsten Tag, als ich schon beschlossen hatte umzukehren, glaubte ich in der Ferne ein Flimmern zu sehen. Nebel stieg auf, und ich sah Baumwipfel. Sie rauschten im Wind … ich wollte mich ihnen nähern, aber der Nebel wurde dichter, er entrückte die Bäume meinen Augen. Und doch hörte ich in der Ferne Vögel

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