Splitterseelen
merkwürdigen Hüpfer neben ihnen. Ihre Schnäbel öffneten sich, als erwarteten sie einen Belohnungshappen.
„Mijo, können wir nicht ein anderes Fluchtmittel nutzen? Ich bin nicht sonderlich höhenfest und bestimmt falle ich runter.“
„Papperlapapp. Einsteigen!“ Wieder wurde er geschubst und nur aus Angst vor dem Opferstein trat er an die Seite eines der Adra, der ihn regungslos anschielte.
„Wie soll ich denn da hinauf gelangen?“
„Wieso denn rauf? Ich sagte einsteigen .“
„Was?“
Der Dämon deutete auf den riesigen Schnabel des Adra.
„Man klettert in den Kehlsack, der Schnabel schließt sich bis auf einen kleinen Spalt und schon geht die Sightseeing-Tour los. Du kannst also nicht runterfallen. Und wenn du Höhenangst hast, ziehst du einfach den Kopf ein.“ Er warf seinen Rucksack in einen der Schnäbel und kletterte hinterher. „Beweg dich, Süßer. Die werden bald merken, dass wie verschwunden sind. Und bis dahin möchte ich weit weg sein.“
Calael stand seiner Cousine Andina so dicht gegenüber, dass sich beinahe ihre Nasen berührten. Sie war sein Ebenbild, man hielt sie oft für Zwillingsgeschwister, während Nirta von den Augen abgesehen optisch wenig mit ihm gemeinsam hatte. Leider besaß Andina noch nicht einmal einen Ansatz von gutem Charakter.
„Sag, dass das nicht wahr ist!“, knurrte er angewidert, was sie mit einem schmalen Lächeln quittierte. „Mein Vater – UNSER PATRIARCH – hat persönlich angeordnet, dass ich die Kämpfer sammeln und die Dämonen angreifen soll. Wie kannst du es wagen, diesen Befehl zu widerrufen? Hast du solche Angst, dass dein kostbarer Mijo dabei umkommt und du deine Magie verlierst?“ Dieses Miststück hatte sogar noch mehr getan, sie hatte persönlich alle Krieger fortgeschickt und ihnen untersagt, Calaels Anweisungen Folge zu leisten. Natürlich hatten nicht alle gehorcht, aber gut die Hälfte hatte verunsichert die Waffen niedergelegt. Was man ihnen nicht verübeln konnte, Andina war eine wandelnde Bedrohung.
„Natürlich ist das mein Ernst, im Gegensatz zu dir spiele ich nicht!“, erwiderte sie unterkühlt. „Mein Onkel hat sich anscheinend von seiner Liebe zu dir zu diesem Unsinn verleiten lassen. Der Verlust deines Seelenzwillings kann nicht bedeutsam genug sein, um das Leben unserer Leute zu gefährden! Zudem würden unweigerlich Dämonen zu Schaden kommen, du weißt, wie verbissen sie kämpfen. Jeder tote Dämon bedeutet, dass einer von uns seine Magie verliert und verbannt werden muss. Du würdest Größe beweisen, wenn du deine eigenen Bedürfnisse und Hoffnungen zurücksteckst, um dem Wohl aller zu dienen. Leider ist nichts an dir groß , hm?“
Calael atmete tief durch und schaffte es, seinen Zorn zu mäßigen. Im Gegensatz zu ihm besaß Andina eine Menge Magie und würde sich nicht scheuen, sie gegen ihn einzusetzen. Außerdem würde es sein schwächelndes Ansehen nicht erhöhen, wenn er vor aller Augen eine Frau schlug, nur weil diese ihn provoziert hatte. In ihrer Gesellschaft machte ein Mann sich lächerlich, der Schwächere angriff. Zumindest, wenn es ein Udeahner war, bei Dämonen oder Menschen von der anderen Seite des Spiegels galten andere Maßstäbe.
Calael drehte sich ruckartig um und marschierte den Weg zurück, den er gekommen war. Er musste wohl oder übel seinem Vater die Niederlage eingestehen, und das, bevor er den Angriff führen konnte. Wie er dieses Weib hasste!
Andina schaute ihm lächelnd nach, dann verließ auch sie die Waffenkammer, wo das Streitgespräch stattgefunden hatte. Sie spürte die Blicke der Kämpfer in ihrem Rücken brennen. Man hasste sie, doch niemand wagte es, sie zu verachten. So war es richtig, sie hatte lange genug gekämpft, um sich Respekt und das Recht zu leben zu verdienen. Ihr eigener Vater hatte sie nach ihrer Geburt umbringen wollen, da er vermutete, seine Frau wäre ihm mit Calaels Vater untreu gewesen. Ihre Mutter hatte das Gegenteil beweisen können, leider erst viele Jahre später. Zuvor war sie mit Andina durch verschiedene Welten geirrt, hatte sie trotz allem nach den Traditionen ihres Volkes erzogen und es sogar vor der Flucht geschafft, einen Seelenstein zu weihen, sodass sie mit ihrem Seelenzwilling Mijo verbunden gewesen war. Es war harte Arbeit gewesen, diesen Draufgänger zu beschützen. Glücklicherweise hatte ihr Vater nie herausgefunden, wer ihr Zwilling war, andernfalls wäre Mijo bereits als Kind gestorben.
Sie war schon fast vierzehn, als
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