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Splitterwelten 01 - Zeichen

Splitterwelten 01 - Zeichen

Titel: Splitterwelten 01 - Zeichen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Peinkofer
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glaubte, hat mich auf schändliche Weise hintergangen! Er hat mir verschwiegen, dass er …!«
    Sie verstummte in ihrer Rede, als sie eine Folge entsetzlicher Gedanken durchzuckte.
    Meisterin Cedaras Tod.
    Ihr schreckliches Ende.
    Die Wolfsklaue Eriks.
    Plötzlich ergab alles Sinn. Hatte Cedara nicht soeben gesagt, dass Kalliope den Mörder kenne? Dass die Antworten in ihrem Inneren lägen und sie nur danach zu suchen brauche?
    Kalliope schoss in die Höhe. Sie war so schwach, dass sie sich kaum auf den Beinen halten konnte und schwankte. Da es die letzten beiden Nächte nicht geschneit hatte, hatte es keinen Schnee gegeben, den sie hätte schmelzen können, und so hatte sich zu ihrem nagenden Hunger auch noch brennender Durst gesellt, der zusätzlich an ihren Kräften zehrte. Dennoch – oder gerade aus diesem Grund? – hatte sie plötzlich das Gefühl, alles klar vor Augen zu sehen.
    »Er ist Euer Mörder«, sagte sie, wobei der krächzende, tonlose Klang ihrer eigenen Stimme sie schaudern ließ. »Er wollte den Verdacht auf die Skolls lenken, doch in Wahrheit ist er es gewesen, nicht wahr, Meisterin?«
    Kalliope lauschte, doch von Cedara kam keine Antwort mehr. Erschrocken sah sich Kalliope in der Kammer um, doch von ihrer Meisterin, die sie eben noch bei sich wähnte, war nichts zu sehen. Nur der Tisch mit den Büchern darauf, die Kisten und Truhen, die Schlafstatt, das Fenster mit dem Vorhang. »Meisterin Cedara?«
    Noch einmal rief Kalliope ihren Namen, doch die numerata kehrte nicht zurück – wohl deshalb, weil Kalliope die Wahrheit endlich erkannt hatte. War es das gewesen, was Cedara ihr noch im Sterben hatte sagen wollen? Dass kein anderer als der Prinz von Jordråk ihr Mörder war? Dass sich hinter seinem so ansehnlichen und harmlos wirkenden Äußeren eine blutrünstige Bestie verbarg? Hatte sie ihn in ihrer Weisheit durchschaut? Hatte sie geahnt, dass all dies geschehen würde, als sie von der großen Bewährung sprach, der sich Kalliope schon bald ausgesetzt sehen würde …?
    Plötzlich schlug jemand energisch mit der Faust an die Tür der Kammer.
    »Gildeschwester?«
    Kalliope zuckte zusammen. Unwillkürlich wich sie zurück, die Urne wie einen Schatz an sich pressend. »Was willst du?«
    »Öffnet die Tür, Gildeschwester! Unverzüglich!«
    Ein Schauer des Entsetzens durchrieselte sie, als sie die Stimme Eriks erkannte. Sie klang anders als bei ihrer letzten Begegnung, feindselig und fordernd … »Ich werde nicht öffnen«, kündigte Kalliope trotzig an. »Ich weiß, was du getan hast!«
    »Das letzte Mal, als ich hier stand, habe ich Euch gebeten, Eure Kammer zu verlassen, Gildeschwester«, entgegnete Erik mit einer Kälte, die schmerzte. »Nun gebe ich Euch den Befehl dazu. Öffnet die Tür und kommt heraus!«
    »Du hast mir nichts zu befehlen«, erwiderte Kalliope. »Als Angehörige der Gilde nehme ich nur Anweisungen der Erhabenen Schwester entgegen!«
    »So werden wir die Tür gewaltsam öffnen.«
    »Das wagt ihr nicht«, rief Kalliope, wobei sie ihre ganze verbliebene Autorität in die Worte legte.
    Einen Lidschlag später krachte erneut etwas gegen die Tür, doch diesmal war es keine Faust, sondern etwas, das ungleich härter und kraftvoller war. Kalliope stieß einen spitzen Schrei aus. Ein zweiter Schlag folgte, unter dem die Tür erzitterte. Dann ein dritter – und zu ihrem Entsetzen konnte Kalliope sehen, wie sich Holzsplitter lösten.
    Beim vierten Hieb gab das Türblatt bereits nach. Zwar hielten die Beschläge und Scharniere dem Angriff stand, doch das Holz splitterte, und der mit Eisenstacheln bewehrte Kopf eines Rammbocks brach hindurch.
    Kalliope wich bis zur Wand zurück, sich an die Urne klammernd wie ein Ertrinkender an ein Stück Treibholz. Der Rammbock verschwand, dafür wurden Äxte angelegt, die die Überreste der Tür aus den Angeln fegten. Zwei Männer erschienen, die volle Rüstung trugen und mit Hörnern bewehrte Helme, und mit Entsetzen erkannte Kalliope, dass sie die beiden kannte. Es waren Einherjar, Kämpfer des Königs, die sie zuletzt bei der Feier zu ihren Ehren gesehen hatte. Den Namen des einen kannte sie nicht, der andere war Urgar Thjurson, der Anführer der königlichen Leibwächter.
    Die Axt in den Händen, die Zähne zusammengebissen und die Augen blutunterlaufen, bot er einen furchterregenden Anblick. Kalliope wollte noch weiter zurückweichen, als er in die Kammer stürmte, aber die Wand hinderte sie daran. Schon standen Urgar und sein Kumpan vor ihr

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