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Splitterwelten 01 - Zeichen

Splitterwelten 01 - Zeichen

Titel: Splitterwelten 01 - Zeichen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Peinkofer
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Es steht mir weder zu, Euch zu beobachten, noch Euch danach zu beurteilen.«
    »Kaum«, stimmte Cedara zu. »Aber du hast recht, mein Kind. Bisweilen sind die Dinge nicht, wie sie auf den ersten Blick scheinen. Es gab eine Zeit, da Meisterin Harona und ich nicht nur die Ideale der Gilde geteilt haben. Einst bewohnten wir eine Kammer und sind Schwestern facto animoque gewesen – im Geist und in der Tat.«
    »Ihr meint, wie Prisca und ich?«
    Cedara nickte. Wie zuvor schien sie etwas hinzufügen zu wollen, es sich dann aber anders zu überlegen. Offenbar hatte Kalliopes Frage an etwas gerührt, worüber sie nicht gerne sprach.
    »Ich kann Euch gut verstehen, Meisterin«, half Kalliope deshalb aus. »Gestern noch waren Prisca und ich uns innig verbunden, heute waren wir einander fremd.«
    Erneut bedachte Cedara sie mit einem Seitenblick, der lang und prüfend auf ihr ruhte.
    »Der Lauf der Zeit«, sagte die Meisterin dann, ohne dass zu erkennen war, was sie dachte. »Menschen kommen und gehen. Nur das Gleichgewicht bleibt bestehen. Daran müssen wir uns halten.«
    »Ich weiß, Meisterin«, versicherte Kalliope traurig.
    Durch eine Allee großer Platanen erreichten die beiden Frauen den Klippenrand. Als sie die schmale, von Häusern gesäumte Gasse einschlugen, die durch das Schwebende Tor zum Hafen und zu den Landungsgittern führte, war die Sonne schon fast ganz hinter dem Weltenrand versunken. Nur noch ein kläglicher Rest ihrer flachen Scheibe grüßte vom Ende der Gasse herauf und verlosch just in dem Augenblick, als Kalliope und ihre Meisterin den Kai erreichten.
    Groß und eindrucksvoll ragten die Formen der Volanta vor ihnen auf, jenes Seglers, auf dem sie die weite Reise nach Jordråk antreten würden.
    Es war ein mittelgroßes Schiff, wie es vorwiegend zum Transport von Gütern benutzt wurde; neben einem großen Hauptsegel verfügte es über zwei Dreieckssegel, die seitlich gesetzt werden konnten und ein wenig wie die Brustflossen eines riesigen Fisches aussahen. Achtern gab es ein von hölzernen Zinnen gekröntes Kastell, das die Unterkünfte des Kapitäns und der Levantin beherbergte und wo auch Kalliope wohnen würde.
    Die Vorbereitungen zum Auslaufen schienen bereits abgeschlossen zu sein. Die Planken, über die das Schiff den Nachmittag über mit Proviant und Ausrüstung beladen worden war, waren eingeholt, die Aeronauten schon dabei, die Rahen zu besteigen, um die noch gerefften Segel zu setzen.
    Kalliopes Herzschlag beschleunigte sich unwillkürlich. Natürlich betrat sie nicht zum ersten Mal ein Schiff, doch die wenigen Fahrten, an denen sie bislang teilgenommen hatte, waren stets nur von kurzer Dauer gewesen. Zwar blieben ihre Befürchtungen bestehen, doch sorgte der Anblick der Volanta auch dafür, dass sie zum ersten Mal einen Hauch von Neugier verspürte.
    Das Gepäck ihrer Meisterin war bereits am Nachmittag abgeholt worden, sodass Kalliope nur noch ihren persönlichen Besitz bei sich trug, einen Beutel aus Stoff, der mit allerhand Erinnerungsstücken gefüllt war. Dem Ratschlag ihrer Meisterin gemäß sollten sie ihr in der Fremde das Gefühl vermitteln, nicht verloren zu sein und einen Platz zu haben, wohin sie gehörte – und ebenjenen Platz würde sie nun verlassen.
    Mit einem ermunternden Nicken schritt Meisterin Cedara die Planke hinauf und verschwand hinter der Bordwand des Schiffes. Kalliopes Handflächen wurden feucht.
    Gerade hatte sie sich dazu durchgerungen, ihren Fuß auf die Planke zu setzen und Ethera den Rücken zu kehren, als jemand ihren Namen zischte.
    »Kalliope …!«
    Kalliope wandte sich um. Im blendenden Schein der Fackeln, die an der Kaimauer entlang aufgepflanzt waren, lief eine schattenhafte Gestalt.
    Ihr Herz machte einen Freudensprung, denn im ersten Moment glaubte sie, es wäre Prisca, die ihr nachgeeilt wäre. Doch der Schatten war zu breit und zu gedrungen, als dass es die Freundin hätte sein können.
    »Komm schon her, Mädchen«, verlangte die zischende, klanglose Stimme. »Worauf wartest du?«
    Kalliope schickte einen verstohlenen Blick die Planke hinauf, dann näherte sie sich vorsichtig der buckligen Gestalt, die eine dunkle Robe trug und die Kapuze tief ins Gesicht gezogen hatte. Der scharfe Geruch von kaltem Schweiß und – Kalliope schämte sich fast, es sich einzugestehen – Alkohol stach in ihre Nase und sorgte dafür, dass sie die Gestalt erkannte.
    Meisterin Audra.
    »Wolltest du gehen, ohne dich zu verabschieden?«, erkundigte sich die greise

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