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Splitterwelten 01 - Zeichen

Splitterwelten 01 - Zeichen

Titel: Splitterwelten 01 - Zeichen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Peinkofer
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ihr Besitz ergriffen hatte, und auch das war seltsam. Die Cedara früherer Tage hatte in ihren Zügen gelesen wie in einem offenen Buch, und es war so gut wie unmöglich gewesen, etwas vor ihr zu verheimlichen. Was, bei allen Welten, war nur mit ihr geschehen?
    Kalliope löste sich von der Reling und trat zum Sitz der Levitatin.
    »Bist du bereit?«, erkundigte sich ihre Meisterin, ohne dass die milchweißen Augen sie dabei angesehen hätten.
    »Bereit wofür?« Kalliope schürzte nervös die Lippen.
    »Bereit, eine Prüfung abzulegen.«
    Kalliope hob die Brauen. Cedara hatte in der Gelehrtensprache gesprochen und dabei das Wort probatio benutzt, das nicht nur irgendeinen Test bezeichnete, sondern eine Gildeprüfung, deren Ausgang darüber entschied, ob eine Schülerin den nächsten Reifegrad erlangte.
    »Ganz recht.« Erneut ließ Cedaras Stimme keine Regung erkennen. Kalliope vermochte nicht zu sagen, ob die plötzlich angesetzte Prüfung der Wiedergutmachung oder der Bestrafung dienen sollte. Nur eines wusste sie bestimmt – dass der Zeitpunkt dafür denkbar schlecht gewählt war.
    Um eine Gildeprüfung zu bestehen, war nicht nur ein guter Kenntnisstand vonnöten, sondern auch innere Balance. Und davon war Kalliope in diesen Tagen weit entfernt …
    »Natürlich«, hörte sie sich dennoch selbst sagen. Welche Wahl hatte sie? Sollte sie ihrer Meisterin gestehen, dass sie noch immer nicht über jenen Vorfall hinweg und ihre Unsicherheit nur noch gewachsen war? Ein neuerlicher Tadel wäre fraglos die Folge gewesen, womöglich sogar verbunden mit einer Zurückstufung. Dann konnte sie sich ebenso gut der Prüfung stellen.
    Cedara schien nichts anderes erwartet zu haben. Mit einem beiläufigen Nicken erhob sie sich von ihrem Sitz.
    »Nimm Platz«, forderte sie Kalliope auf.
    »Auf … auf Eurem Sitz?«
    »Siehst du einen anderen?«
    Kalliope schüttelte den Kopf. Dann ließ sie sich zögernd auf das lederbeschlagene Polster nieder. Sie ahnte, was folgen würde, auch wenn sie noch immer hoffte, dass sie sich irrte.
    »Konzentriere dich.«
    »Was habt Ihr vor?«
    Trotz des weißen Schleiers verfestigte sich der Blick von Cedaras Augen. »Traust du mir nicht?«
    »Doch, natürlich«, beeilte Kalliope sich zu versichern, »aber …« Sie unterbrach sich, als ihr klar wurde, dass jedes weitere Wort ihre Beteuerung Lügen gestraft hätte. »Ich vertraue Euch, Meisterin«, bekräftigte sie.
    »Und ich vertraue dir«, entgegnete Cedara ruhig, fast beiläufig. »Nun handle nach dem, was ich dich gelehrt habe.«
    Kalliope kämpfte die Panik nieder, die in ihr wuchs. Wie sehr hatte sie sich danach gesehnt, einst auf diesem Sitz an der Rückwand des Achterdecks Platz nehmen und endlich das tun zu dürfen, was sie ihr Leben lang als ihre Bestimmung betrachtet hatte – und wie sehr wünschte sie sich nun, da es tatsächlich geschah, an einen anderen Ort!
    Dennoch setzte sie sich und lehnte sich vorsichtig zurück. Das weiche Leder schmiegte sich um ihre zarte Gestalt, und sie hatte das Gefühl, die immense Masse und das riesige Gewicht des Schiffes in diesem Moment körperlich zu spüren. Sie wollte die Augen schließen, wie ihre Meisterin es ihr beigebracht hatte, als sie die Blicke der anderen bemerkte.
    Sowohl Kapitän Baramiro als auch seine beiden Steuerleute starrten sie an, unverhohlenen Zweifel in den Gesichtern. Von der Unterhaltung der Gildeschwestern hatten sie zwar nichts verstanden, aber nun konnten sie sehen, wie Kalliope sich anschickte, die Kontrolle über das Schiff zu übernehmen, und das schien ihnen nicht zu gefallen. Es war Baramiro anzusehen, dass er am liebsten lautstarken Protest eingelegt hätte, aber die Regeln des Paktes waren in dieser Hinsicht eindeutig: Die Levitatin allein hatte zu bestimmen.
    Kalliope war alles andere als wohl in ihrer Haut. Schon jetzt schlug ihr vonseiten der Besatzung Ablehnung entgegen. Wenn sie versagte, würde sie damit nur noch größeren Zorn auf sich ziehen und vermutlich nirgendwo an Bord mehr vor Nachstellungen sicher sein. Jene Cedara, die sie auf Ethera betreut hatte und die wie eine Mutter zu ihr gewesen war, hätte niemals zugelassen, dass sich ihre Schülerin einer solchen Gefahr aussetzte. Die neue Cedara, zu der ihre Meisterin geworden zu sein schien, kümmerte sich offenbar nicht darum.
    Kalliope schloss die Augen, nicht nur, um sich zu konzentrieren, sondern auch, um den Blicken zu entgehen. Die alte Atemtechnik der primae benutzend, zwang sie ihren Körper zur

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