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Splitterwelten 01 - Zeichen

Splitterwelten 01 - Zeichen

Titel: Splitterwelten 01 - Zeichen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Peinkofer
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Cedara. »Denn wenn es dir nicht gelingt, bist du keine von uns. Dann wäre alles vergeblich gewesen.«
    Ihre Stimme klang weicher als zuvor, doch ihre Worte trafen wie Pfeile. »Ich verstehe, Meisterin«, versicherte sie. »Ich weiß, dass ich gefehlt habe, und erwarte demütig Eure Bestrafung.«
    »Es wird keine Bestrafung geben«, stellte Cedara klar, »jedenfalls nicht meinerseits. Ich kenne dich, Kalliope. Das Wissen um dein Versagen wird dich ohnehin quälen, und die Verachtung, mit der Kapitän Baramiro und seine Leute dir von nun an begegnen werden, wird dich zu jedem Zeitpunkt daran erinnern. Das ist Strafe genug.«

13. Kapitel
    Im Kerker war es dunkel.
    Wie lange er schon in seinem Gefängnis kauerte, diesem fünf Klafter tiefen Loch, das man ins Baumfundament des Mercatorenpalastes getrieben hatte, vermochte Kieron nicht zu sagen. Da kein Außenlicht durch die Falltür drang, die das Kerkerloch verschloss, waren sein Hunger und seine Müdigkeit die einzige zeitliche Orientierung, und auch sie kam dem Jungen bald abhanden. Wenn er nicht schlief, bestand seine einzige Beschäftigung darin, über sich und die Welt nachzudenken.
    Sein ganzes Leben lang hatte Kieron schon seinen Gedanken nachgehangen. Zwar hatte Jago alles darangesetzt, seinen Leibeigenen das Denken auszutreiben (in seinen Augen war es völlig überflüssig, wenn Menschen ihren Verstand benutzten), aber weder sein jähzorniger Gebieter noch das triste Leben als Sklave hatte Kieron davon abbringen können, sich über die verschiedensten Dinge den Kopf zu zerbrechen.
    Über seine Herkunft.
    Über seine Bestimmung.
    Über sein Schicksal. Und auch jetzt stellte er sich diese Fragen wieder, denn in der Enge und Einsamkeit seines Gefängnisses brannten sie ihm mehr denn je auf den Nägeln. Unwillkürlich reisten seine Gedanken zurück in die Vergangenheit, in eine Nacht, die zwei Zyklen zurücklag. Damals hatte er sich ruhelos auf seinem kargen Strohlager in der Sklavenbaracke hin- und hergewälzt. Die Kette, die sein Halsband hielt, hatte bei jeder Bewegung geklirrt, sodass schließlich Simrod erwacht war, der alte Sklave, der ihn unter seine Obhut genommen hatte.

    »Du kannst nicht schlafen«, hatte Simrod festgestellt, an dessen breiten, grollenden Akzent sich Kieron mit Wehmut erinnerte.
    »Nein.«
    »Hast du wieder nachgedacht?«
    »Ich fürchte schon«, hatte Kieron geantwortet. In seiner Erinnerung hatte er keine Schwierigkeiten damit, die Worte hervorzubringen, was womöglich daran lag, dass Menschen auf ihre Vergangenheit stets mit mehr Wohlwollen zu blicken schienen als auf die Gegenwart.
    »Worüber?«
    »Über meine Eltern. Darüber, wer ich bin.«
    »Das kann ich gut verstehen.«
    »Du kannst es verstehen? Ich sollte das Grübeln bleiben lassen.«
    »Kann ein Vogel das Fliegen lassen? Oder ein Fisch das Schwimmen?«, hatte Simrod erwidert und sich dabei über den weißen Bart gestrichen. »Die meisten dieser jämmerlichen Geschöpfe, die mit uns gefangen sind, kämen nie darauf, über ihre Herkunft nachzudenken – sie sind zufrieden, wenn sie ein trockenes Schlaflager haben und einmal am Tag etwas zu essen. Du jedoch bist anders, mein Junge, das ist mir bereits vor langer Zeit offenbar geworden. Deshalb habe ich dir die Dinge beigebracht, die ich dir beigebracht habe. Und deshalb findest du auch keinen Schlaf, denn dein Verstand ist wach und dürstet nach Wissen.«
    »Was bedeutet das?«
    »Dass du allmählich ein Mann wirst«, hatte der alte Simrod rätselhaft geantwortet. »Bislang habe ich dir etwas verheimlicht, weil ich fürchtete, du könntest eine Dummheit begehen. Nun jedoch scheinst du bereit zu sein.«
    »Bereit? Wofür?«
    »Für die Wahrheit, mein Junge«, hatte Simrod geantwortet. »Für das, was dir …«
    Weiter war der Alte in dieser Nacht nicht gekommen und auch in keiner anderen. Denn einer von Jagos Tauriden-Wächtern war vor der Sklavenbaracke aufmarschiert, sodass sie ihre Unterhaltung hatten beenden müssen, und am nächsten Tag war der alte Simrod während seiner Arbeit in der Brauerei des »Feuerkürbis« in einen Kessel gefallen und darin ertrunken. So war Kieron nichts geblieben als ein paar vage Andeutungen – und Dutzende unbeantworteter Fragen.
    Kieron musste sich wieder in sein Schicksal fügen, so wie Tausende anderer Leibeigener, die auf Madagor ihren Dienst versahen, und all die seltsamen Ideen, die ihm der alte Simrod in den Kopf gesetzt hatte, aus seinem Bewusstsein verbannen. Einige Zyklen lang

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