Sportreporter
haben waren, und wenn ich von einem neuen erfuhr, schrieb ich oder rief an und ließ ihn mir schicken.
X und ich kamen vorübergehend zu der Überzeugung, daß wir, wenn wir alle unsere Kaufgelüste aus Katalogen befriedigten, genau das Leben führten, das zu uns und unseren Umständen paßte; daß wir zu der Sorte von Leuten gehörten, für die das Einkaufen aus Katalogen besser war, als in die Welt hinauszugehen und in Einkaufszentren Zeit zu vergeuden oder nach New York zu fahren oder gar durch die zwielichtigen Geschäftsstraßen in Haddam zu pilgern, um zu finden, was wir brauchten. Viele unserer Bekannten in der Stadt machten es genauso und waren überzeugt, daß dort die besten und ungewöhnlichsten Produkte herkamen. Man kann den UPS-Lieferwagen auch heute noch jeden Tag in unserer Straße stehen sehen, wo er Hängematten und Räucherkammern und weiß Gott was auslädt – bündelweise Grillhandschuhe und Briefkästen, die alten Schatztruhen nachempfunden sind, und ganze Gartenhäuser.
Für mich war es allerdings nicht nur die bequeme Art des Einkaufens, die mich reizte; da war noch etwas anderes, wenn ich stundenlang blätterte, um den reellsten Schraubenzieher zu finden oder das Gerät zur Wiederherstellung von Bierflaschenverschlüssen, das auf keinem anderen Weg zu beziehen ist als über ein Postfach in Nebraska. Für mich ging es darum, daß das in diesen Katalogen dargestellte Leben unwiderstehlich schien. In meiner damaligen Gemütsverfassung liebte ich die Fülle des durch und durch Gewöhnlichen und Pseudo-Exotischen (das sich immer als gewöhnlich erweist, wenn du konsequent bleibst und deine Bestellung aufgibst). Ich liebte allein schon die Idee der »Ware«, und ich liebte diese alltäglichen guten amerikanischen Gesichter, die dort abgebildet waren, Leute, die beim Schweißen Asbestschürzen trugen, die ihre Angelruten aus Bambus hochhielten, die ihre Generatoren mit ihren neuen Schraubenzieherleuchten überprüften, die ihre mit aufgenähten Seitenkappen verzierten Lederhalbschuhe trugen, sich Monat für Monat, Jahr für Jahr in den gleichen wollenen Nachthemden schlafen legten. In mir nährte das eine seltsame Zuversicht, daß einige Dinge außerhalb meines Lebens immer noch in Ordnung waren; daß die gleichen Männer und Frauen, die vor den vertrauten, ausgemauerten Kaminen oder vor den gleichen bequemen Himmelbetten standen und die gleichen Schrotflinten oder Blasrohre oder Stiefelwärmer oder Schachteln mit Superzündhölzern in Händen hielten – daß sie alle einen guten Tag vor Augen hatten, der von unbegrenzter Dauer sein würde. Die Dinge waren durchschaubar, sicher und zuverlässig. Jeder hatte genau das, was er brauchte oder bekommen konnte. Eine perfekte Demonstration, wie aus dem Sachlich-Nüchternen das leicht Unerklärliche werden kann.
Wenn X und ich oft abends dasaßen und einander nichts zu sagen hatten (ohne jedoch wütend oder verdrossen zu sein), erwies es sich so manches Mal als genau richtig, in dieses nur von außen zu betrachtende, aber völlig alltägliche Leben einzutauchen – wo es allein darauf ankam, daß du bis zum Herbstanfang dieses grobgemusterte Sportsakko hattest oder daß der absolut eindrucksvollste Fußabtreter vor der Haustür lag oder daß all deine Freunde Jacques, den Französischen Basset, auch bei Nacht schon von weitem erkannten und ihn mit dem auf sein Halsband gestickten Namen rufen und vor dem Langholzwagen retten konnten, der über der Kuppe drüben auf ihn zuraste.
Wir holen uns alle unseren Trost, wo wir können. Und dort schien ein Leben möglich – auch wenn wir es uns nicht aus Vermont oder Wisconsin oder Seattle kommen lassen konnten, aber nichtsdestoweniger ein Leben –, das besser war, als die Verträumtheit und Stille in einem großen alten Haus, wo ein grundloser Tod seinen traurigen Tribut gefordert hatte.
Das alles verlor sich mit der Zeit, da ich mich zunehmend für Frauen interessierte, während X ihren Verlust auf ihre Weise bewältigte. Monate danach, als ich die Familie verlassen hatte, um am Berkshire College zu unterrichten, saß ich eines Abends allein in dem Haus der kleinen Tanzlehrerin, das das College für mich gemietet hatte und das im unteren Teil des Campus nicht weit vom Tuwoosic River lag, und gab mich einer Beschäftigung hin, die in diesen ersten paar Wochen fast meine ganze Zeit beanspruchte – ich war in einen Katalog vertieft. (Der Aufenthaltsraum für Angehörige des Lehrkörpers war voll davon, was
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