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Sportreporter

Sportreporter

Titel: Sportreporter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: R Ford
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den Puppenmützen. Während ich die Nummer meiner Kreditkarte durchgab, erwähnte ich beiläufig, die Frau auf diesem Bild erinnere mich stark an meine Schwester, von der ich durch die Adoptionsbehörde getrennt worden sei. Arbeitete die Firma mit einheimischen Frauen als Fotomodellen?, fragte ich. »Ja«, kam die stoische Antwort. Wußte sie, wer die Frau auf diesem Bild sein könnte? Eine Pause entstand. »Von solchen Dingen weiß ich nichts«, sagte die Frau mißtrauisch. »War das dann Ihre ganze Bestellung?« Sie seufzte auf, verärgert und müde. Ich gab zu, daß das alles war, und sagte, daß ich die Puppenmützen nun doch nicht kaufen wollte, worauf die Frau abrupt auflegte.
    Ich blieb eine Zeitlang vor meinem offenen Fenster sitzen und starrte hinaus in das gelbbeleuchtete Tal mit dem Berkshire College, wo Ahorn und Eichen immer noch ihr Sommerlaub hatten, und hörte zu, wie auf Scarborough Fair Michael, Row the Boat Ashore folgte und dann Try to Remember , und versuchte in der Tat, mir möglichst viel über Mindy und diese längst vergangenen Tage in Ann Arbor in Erinnerung zu rufen, ahnte hinter dem rein Zufälligen etwas Unerklärliches und machte mir Gedanken über den kleinen Aufruhr in mir, verursacht von den zwei braunen Augen hinter der schwarzen Kapuze und dem nichtjüdischen Lächeln in einem maisgelben Pullover.
    Einer bestimmten Art von Rätsel muß man auf den Grund gehen, damit sich – wie eine exotische Blüte – ein besseres, kompliziertes Rätsel entfalten kann. Viele Rätsel sind gar nicht so leicht auseinanderzunehmen; sie halten einigen elementaren Nachforschungen ohne weiteres stand.
    In meinem Fall hieß das, am nächsten Morgen in aller Frühe aufzustehen und die achtzig Meilen nach West Ovid rüberzufahren, den Laden aufzusuchen, dessen Katalog ich bei mir hatte, und die Verkäuferin rundheraus zu fragen, wer diese Frau in den Moleskinhosen sei, die so aussehe wie eine Studienkollegin von mir, die meinen besten Freund beim Militär geheiratet habe, von dem ich in einem vietnamesischen Kriegsgefangenenlager getrennt worden sei und von dessen Schicksal ich bis zum heutigen Tag nichts mehr gehört habe.
    Die Frau an der Kasse – ganz der Hampshire-Typ, klein gewachsen und rotbackig – erzählte mir nur zu gern, daß es sich bei der fraglichen Frau um Mrs. Mindy Strayhorn handle, die Gattin von Dr. Pete Strayhorn, dessen Zahnarztpraxis mitten im Ort liege, und daß ich doch einfach zu ihm in die Sprechstunde gehen solle, um festzustellen, ob er mein so lange verschollener Freund sei. Ich sei nicht der erste, sagte sie, der alte Freunde in dem Katalog wiedererkenne, aber die meisten Leute müßten dann feststellen, daß sie sich irrten.
    Ich konnte gar nicht schnell genug aus dem Laden kommen. Und nicht, weil ich zu Doc Strayhorn wollte, versteht sich, sondern weil gleich gegenüber vor dem Jeep-Händler eine Telefonzelle war. Ich fand Strayhorn in der Raffles Road und wählte, ohne mit der Wimper zu zucken, Mindys Nummer.
    »Frank Bascombe?« sagte sie, und ich hätte ihre muntere Stimme in einer überfüllten U-Bahn wiedererkannt. »Meine Güte. Wie hast du uns hier bloß gefunden?«
    »Du bist in dem Katalog«, sagte ich.
    »Ach so, stimmt.« Sie lachte verlegen. »Ist das nicht komisch? Ich tu’s, damit ich beim Einkaufen dort Prozente bekomme, aber Pete findet es ein bißchen unschicklich.«
    »Du siehst wirklich großartig aus.«
    »Ehrlich?«
    »Und ob! Du bist hübscher denn je. Viel hübscher.«
    »Na ja, als ich Spencer geheiratet hatte, hab ich mir die Nase richten lassen. Er konnte die alte nicht ausstehen. Es freut mich, daß sie dir gefällt.«
    »Wo ist eigentlich Spencer?«
    »Ach, Spencer. Ich hab mich von ihm scheiden lassen. Er war ein Mistkerl, weißt du.« (Ich wußte es.) »Ich leb jetzt seit zehn Jahren hier, Frank. Ich bin mit einem netten Mann verheiratet, der Zahnarzt ist. Unsere Kinder haben exzellente Zähne.«
    »Großartig. Hört sich wie ein herrliches Leben an. Und dann arbeitest du auch noch als Modell.«
    »Ist das nicht toll? Und wie geht’s dir? Was hast du denn in den siebzehn Jahren alles erlebt? Eine ganze Menge, möcht ich wetten.«
    »So manches, ja«, sagte ich. »Ich will aber nicht darüber reden.«
    »Okay.«
    Rote und silberne Fähnchen markierten das Gelände des Jeep-Händlers und wirbelten im Wind. Zwei lange Reihen neuer Cherokees und Apaches blitzten in der Neuengland-Sonne. Bald würde der Winter kommen, und die Berge waren in

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