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Sportreporter

Sportreporter

Titel: Sportreporter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: R Ford
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diese Woche noch vorbeikomme. Ich muß ihm einen Witz erzählen.«
    »Solange es nicht am Dienstag ist«, sagt sie mit einem gouvernantenhaften Lächeln. Es ist die übliche Komplikation. »Er vermißt den Umgang mit Männern, fürchte ich.«
    Delia schlendert mit ihrer Zeitung hinüber zu dem sonnigen Rasen und dem Tennisplatz, während ich mich meinem eingemauerten Grill und den Rosen zuwende und einem Tag entgegengehe, der in fast jeder Hinsicht positiv zu werden verspricht, einem Tag, den ich nur zu gern in die Reihe der Osterfeste einordnen werde, die ich voll ausgekostet und rasch vergessen habe.
    Gong , klingen die Glocken in der Stadt. Gong, gong, gong, gong, gong.
    Kurz vor zehn rufe ich X an, um den Kindern frohe Ostern zu wünschen. Es ist nun ein Feiertag, an dem wir uns »austauschen«, und in diesem Jahr bin ich erstmals nicht bei den Kindern. In der Cleveland Street ist allerdings niemand zu Hause. X’ Anrufbeantworter sagt mir, ich solle, falls ich an Golfstunden interessiert sei, meinen Namen und meine Telefonnummer angeben. Im Hintergrund höre ich Clary sagen: »Später, du Spatzenhirn«, und kann mich vor Lachen kaum noch halten. In X’ Stimme liegt neuerdings eine gewisse Härte, die mir fremd ist, eine ganz geschäftsmäßige, aufs Bankkonto zielende Direktheit, die mich an ihren Vater erinnert und die mich spekulieren läßt, ob meine Familie mit einem von X’ Software- oder Immobilienfreunden in Bucks County unterwegs ist, einem dieser massigen Typen, die immer ein grünes Sportjackett tragen und alles auf ihre Spesenrechnung schreiben.
    Ich beschließe, keine Nachricht zu hinterlassen (obwohl ich’s gern tun würde).
    Aus irgendeinem Grund wähle ich Walter Lucketts Nummer und lasse, die wollweiche Osterstraße vor Augen, das Telefon lange läuten. Wo würde ich mich aufhalten, wenn ich Walter wäre? In einer Schlägerkneipe im West Village? Mit einem wahnwitzigen Zorn unterwegs auf den ulmenreichen Straßen im isolierten Neufundland? Würde ich mit dem Basketball zur High-School rübergehen, raffinierte Korbleger üben und mir anschließend im Lost Bridge-Einkaufszentrum Das Gewand ansehen? Ich bin nicht einmal sicher, daß mich die Antwort interessiert. Manche Menschen sind nicht dazu geschaffen, einen besten Freund zu haben, und ich könnte einer von ihnen sein. Walter gehört vielleicht auch dazu, wenn auch aus anderen Gründen. Mit jemandem bekannt zu sein, genügt mir normalerweise – das war wohl die eine wichtige Lektion, die mir meine libanesische Freundin Selma Jassim am Berkshire College beigebracht hat, denn wenn sie überhaupt an etwas glaubte, dann daran, daß fast jede Art von wechselseitigem Vertrauen ein absoluter Quatsch ist.
    Heute weiß ich, daß ich mich damals für eine Lehrtätigkeit am Berkshire College entschied, um den furchtbaren Schmerz abzuwenden – und der gleiche Grund war es, der mich vor Jahren bewog, die Arbeit an meinem Roman einzustellen und Sportreportagen zu schreiben; der gleiche Grund ist es auch, der die meisten von uns bewegt, auf halbem Weg in dramatischen Auftritten nach links oder rechts auszuscheren, und der gleiche Grund bewegt manche Menschen, schlicht ihren Kurs zu verlassen und in den Graben zu fahren.
    Ein Jahr nach Ralphs Tod hatte ich mal wieder eine dieser einwöchigen Pausen, die sich zwischen zwei großen Reportagen für die Zeitschrift gelegentlich ergeben und die wir dazu nutzen sollen, uns zu erholen und zu einer einigermaßen geordneten Lebensweise zurückzufinden. Als ich an diesem Nachmittag – es war im Mai – mit einigen Ausgaben des Life -Magazins, die sich angesammelt hatten, zu Hause in der Frühstücksnische saß, klingelte das Telefon. Der Anrufer sagte, er heiße Arthur Winston und sei mit Beth Winston verheiratet, der Schwester meines früheren literarischen Agenten Sid Fleisher, von dem ich ein Jahr lang – seit seiner Kondolenzkarte – nichts mehr gehört hatte. Arthur Winston sagte, er leite die Englisch-Abteilung am Berkshire College in Massachusetts und er habe mit Sid in dessen Haus in Katonah gesprochen, und Sid habe einen Schriftsteller erwähnt, den er einmal vertreten habe und der einen Band mit guten Short Storys geschrieben, danach aber das Schreiben ganz aufgegeben habe. Eins habe zum anderen geführt, sagte Arthur, und am Ende habe er das Buch bekommen, und er habe es, behauptete er, mit Bewunderung gelesen. Er wollte wissen, ob ich seither weitere Geschichten geschrieben habe, und aus irgendwelchen

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