Sportreporter
allem an Baseball, interessiert und konnten sich in informativen, handfesten Unterhaltungen darüber ereifern, wie Statistiken lügen, welche Zonen im Außenfeld am schwersten abzudecken sind und wer wohl die größten Manager aller Zeiten waren – Männergespräche, die den halben Abend füllen konnten. Sie wußten oft viel mehr als ich und wollten stundenlang über exotische Regelauslegungen debattieren, über Verteidigungsstrategien gegen das »Stehlen« von Bases und über den »Charakter« der einzelnen Stadien. Sie rückten oft von ihrem eigenen britischen oder großstädtischen Akzent ab und redeten in einem undefinierbaren Südstaatler- und »Sportler«-Akzent. Das hielten sie stundenlang durch, was ich bereits von Cocktailpartys in Haddam kannte. Einige vertrauten mir sogar wehmütig an, sie hätten am liebsten dasselbe getan wie ich, hätten aber in ihrem jungen Leben nie die »Lücke« gefunden, die es ihnen erlaubt hätte, über eine Zukunft als Sportreporter nachzudenken. Alle hatten sie natürlich sofort nach dem College im Eiltempo ihr Fachstudium absolviert, sich möglichst rasch nach einer Stelle umgesehen, Unkündbarkeit angestrebt und sich fürs Leben eingerichtet. Wenn sie irgendwelche »Lücken« gehabt hatten, dann standen sie nicht dazu, denn das hatte mit irgendeiner Art von Versagen zu tun – einer schlechten Zensur, einer niedrigen Bewertung seitens des Verwaltungsrats oder dem nichtssagenden Empfehlungsschreiben eines wichtigen Professors – irgend etwas, das sie fürchterlich erschreckt hatte und an das sie jetzt nicht mehr erinnert werden wollten.
Trotzdem verwirrte es sie offensichtlich, daß mir etwas zugestoßen war, was sie nicht kannten, und daß ich, eigentlich gar kein so übler Bursche, nun mitten unter ihnen war, wo doch ihr Leben zugleich perfekt und vollkommen gewöhnlich schien. Sie lächelten mich an und schüttelten den Kopf, hatten die Arme verschränkt, die Pfeife fest zwischen den Zähnen, die Krawatte makellos, und – aus Gründen, die ich nicht verstand und auch heute noch nicht verstehe – sie hörten mir beim Reden zu! (Dabei hörten sie einander sonst keine Sekunde lang zu.) Ich war der Beweis, daß das Leben auch anders verlaufen konnte, als sie es gewohnt waren, und darüber staunten sie.
Über Sport zu schreiben hatte für sie, glaube ich, etwas Verlockendes, so wie es für mich etwas Verlockendes hat, und sie empfanden es wohl auch als exotisch, aber die damit verbundene Nüchternheit ließ sie manchmal verlegen werden, machte ihnen angst und brachte sie zum Lachen, wobei sie wie Zulus die Arme auf immer neue Art verschränkten.
Sie alle ermunterten mich jedoch sehr nachhaltig, es noch einmal mit dem richtigen Schreiben zu versuchen. Sie konnten sich wohl vorstellen, daß einer das tun will, und dann in Würde daran scheitert. Sie hatten großen Respekt vor der Würde kleiner Fehlschläge, denn die vermuteten sie auch bei sich selbst. Doch für mein Verständnis achteten sie sich selbst zu gering und machten sich nicht klar, wie sehr wir alle in demselben Boot sitzen und wie unvollkommen dieses Boot ist.
Ich halte es nicht mit dem alten Glauben, nach dem Professoren an uns Schriftstellern Gefallen finden, weil sie uns eindrucksvoller und dümmer und daher aufrichtiger scheitern sehen, als das bei ihnen der Fall war. Im Gegenteil, sie sehen es gern, daß jemand den Versuch macht und alles aufgibt, um ein bleibendes Zeichen zu setzen. Sie mögen auch durchaus damit rechnen, daß sie dich scheitern sehen, aber im Grunde sind sie alles andere als Zyniker. Und da ich nicht versuchte, irgendwelche Zeichen zu setzen (das dachten sie nur und brachten mir deshalb eine gewisse Bewunderung entgegen), lernte ich das College wahrscheinlich von seiner besten Seite kennen.
Die einzigen, mit denen ich eindeutig nicht auskam, waren die jüngeren »Nachwuchskräfte«, die traurigen, schmallippigen und unglücklichen »Hoffnungsträger«. Sie konnten mich nicht ausstehen. Ich war ihnen wohl zu ähnlich – schutzlos der Welt ausgeliefert –, dabei aber auf eine Weise anders, die sie ärgerlich, belastend und belanglos fanden. Nichts läßt uns hochmütiger reagieren als die Gegenwart eines Menschen, der etwas anderes tut als wir und der sich dabei ganz gut schlägt, sich aber nicht beklagt (dabei war ich damals so heftig am Rudern, wie das nur möglich ist). Sie betrachteten mich mit echtem Abscheu und sagten normalerweise kein Wort, so als sei eine bestimmte Tätigkeit
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