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Sportreporter

Sportreporter

Titel: Sportreporter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: R Ford
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gleichbedeutend mit lachhaftem Scheitern, doch zugleich auch so, als komme ihnen irgend etwas an mir bekannt vor und könne in ihrer Zukunft vielleicht einmal eine Rolle spielen, falls es für sie nicht lief wie geplant. Der Galgen, stelle ich mir vor, macht dem Verurteilten weniger angst als dem, der noch auf sein Urteil wartet.
    Ohne Groll oder auch nur den leisesten Wunsch, sie zu beunruhigen, sagte ich ihnen, wenn sie keine feste Anstellung erhielten, sollten sie sich vielleicht mal ernsthaft als Sportreporter versuchen, so wie das andere in ihrer Lage auch gemacht hatten. Aber der Rat schien ihnen nicht zu schmecken. Ich glaube, es war die Idee der Austauschbarkeit, die ihnen nicht gefiel, und keiner kam, nachdem man ihm den Laufpaß gegeben hatte, jemals vorbei, um wegen eines Jobs zu fragen.
    Was ich schließlich überhaupt nicht ausstehen konnte, war nicht das, was wohl die meisten vermuten würden.
    Ich störte mich nicht an den endlosen Folgen von Sitzungen, die ich lächelnd und völlig geistesabwesend über mich ergehen ließ. Es interessiert mich nicht die Bohne, was zum »Lernen« gesagt wurde – ich verstand nicht einmal richtig, was es in ihrer Sprache bedeutete –, da es mir auch nicht andeutungsweise gelang, meinen Studenten die Augen für die Welt zu öffnen, die ich sah. Am Ende hatte ich mit den Jungen und vor allem mit den armen Sportlern nur bitteres Mitleid, und an die Mädchen konnte ich nur noch im Zusammenhang mit der Frage denken, wie sie wohl in ihrer bunten Unterwäsche aussahen. Aber die professionelle Einstellung meiner Kollegen beeindruckte mich, etwa, daß sie wußten, wo alle »ihre Bücher« in der Bibliothek standen, daß sie die Neuanschaffung auswendig wußten und nie an den Karteikästen Zeit verschwenden mußten. Ich genoß es, wenn ich ihnen im Magazin in den Untergeschossen zufällig begegnete, wo sie über die weiblichen Mitglieder des Lehrkörpers und über die Chancen auf feste Anstellung klatschten und sich mit den Ellbogen anstießen, während sie den neuesten Witz austauschten oder über irgendeinen Skandal redeten, der diese Woche im TLS abgedruckt war. Was sie machten, wie sie ihr Leben führten, das war in jedem Punkt so, wie auch ich es an ihrer Stelle gemacht hätte: Sie behandelten die Welt wie einen belanglosen Witz und ihr eigenes, behagliches Leben wie einen elitären Männerklub. Ich hatte keinen Augenblick das Gefühl, ihnen überlegen zu sein, und es würde mich überraschen, wenn es ihnen anders gegangen wäre. Ich hatte nichts gegen die Fischerhemden, die Wallabies, Pfeifen, lexikalischen Spielchen, Scharaden, die langen Partypalaver über »Sibs« und »La Maz«, Kuratorien und Experimente bei der Behandlung von Autismus, die freimütigen Reden über lesbische Liebe und wer in der Falkland-Geschichte im Recht war (ich bevorzugte Argentinien). Ich gewöhnte mich sogar an die kleinen, hämischen, nur für Eingeweihte verständlichen Bemerkungen zwischen Leuten, mit denen ich noch am Abend vorher beim Essen zusammengewesen war, die mich aber am nächsten Morgen nur noch mit verschlagenen, kryptisch-ironischen Anspielungen auf den Vorabend bedachten: »… der Vermerk müßte in die Cantos rein, nicht wahr, Frank? Das soll der olle Ezra erst mal übersetzen! Ha!« Leben und leben lassen, das ist mein Motto. Ich komme mit den meisten Interessengruppen gut zurecht, sogar mit der vom Magazin unterhaltenen Vermittlungsstelle für Redner, für die ich gelegentlich aufs Land hinausfahre, um Bürgern die Idee der inneren Stärke zu erläutern oder sie mit abgedroschenen Sportanekdoten zu unterhalten.
    Ganz im Gegenteil. Diese ewig jugendlichen, weichen, schlaksigen, untadeligen Männer – zu denen noch zwei drahtige Lesbierinnen gehörten – fühlten sich in meiner Gegenwart ganz wohl. Bei mir konnten sie ihre natürliche Jungenhaftigkeit immer ausleben, wozu ihre Frauen sie auch ermunterten. Wie andere Menschen an anderen Orten konnten sie nach ein paar Drinks fast jederzeit aufhören, die Ernsthaften zu spielen, und sich einer kichernden Albernheit hingeben.
    Und tief im Innern mochten sie mich, glaube ich, denn genauso behandelte ich sie, als anständige Kumpel, selbst die Lesbierinnen, denen das gut zu tun schien. Sie hätten mich gern länger bei sich gehabt, vielleicht für immer, denn warum hätten sie mich sonst gebeten zu bleiben, wo ihnen doch klar sein mußte, daß mit mir, mit meinem Leben, etwas nicht in Ordnung war, etwas, das mich melancholisch

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