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Sportreporter

Sportreporter

Titel: Sportreporter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: R Ford
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stichfesten Argumenten aufzeigen konnte, warum das alles lachhaft war.
    »Wo geht’s denn hin, Professor Bascombe«, sagte Seth Fairbanks mit einem spöttischen Lächeln. »In die Bibliothek?« Das sollte eine witzige Anspielung sein, die ich nicht verstand. Aber ich verzog mein Gesicht trotzdem zu einem Grinsen und dachte dabei an seine Frau, die in diesem Augenblick fröstelnd in meinem Büro saß, gleich hinter einem Fenster, von dem es eine Sichtverbindung zu uns gab (falls sie überhaupt noch dort war). Es war fünf Uhr und fast dunkel an diesem grauen Tag, und wahrscheinlich wären wir ohnehin nicht zu sehen gewesen.
    »Nach Hause, Seth, ich hab eine Reihe Essays durchzulesen«, sagte ich betont fröhlich. »Ich hab sie über Robbe-Grillet schreiben lassen.« (Noch eine Lüge. Meine Studenten hatten sich ihre Aufgaben selbst gestellt und auch die Zensur angegeben, die sie zu verdienen glaubten.) »Er ist ein cleverer Bursche.«
    »Es würde mich interessieren, wie Sie Ihre Fragen formulierten. Legen Sie mir’s doch morgen früh in mein Fach. Ich könnte noch was lernen. Ich behandle selber gerade den Augenzeugen .« Seth konnte nur mit Mühe ein Lachen unterdrücken.
    »Geht klar«, sagte ich. Ich sah meinen schneebedeckten Wagen schon von weitem, als wir den Hügel hinunter zum Parkplatz gingen. Die alte braune Sporthalle lag auf der anderen Seite der Straße, von wo ihre Lichter in der Dämmerung gelb herüberschienen. Es würde bald kalt werden, und ein langer Winter stand bevor.
    »Ich bereite gerade eine Vorlesung über das Unheimliche vor, Frank, nur für das kurze Wintersemester.« In der Kälte konnte ich Seths Atem sehen. »Es gibt reihenweise Bücher über das Außergewöhnliche und Übernatürliche, die kein billiger Schund sind, sondern echte Literatur. Ich habe da meine eigene kleine Theorie. Irgend jemand muß diese Bücher lesen.«
    »Ich würde gern mehr darüber hören«, sagte ich.
    »Ich lege Ihnen einen Unterrichtsplan ins Fach. Wir können nächste Woche mal zusammen zu Mittag essen.«
    »Das wäre ganz prima, Seth.«
    »Hier oben hat man alles, was man braucht, Frank. Ich finde, Sie sollten noch ein Semester bleiben. Diese Sportreportagen können warten. Wer weiß, vielleicht gefällt es Ihnen hier oben so, daß Sie ganz bleiben wollen.« Seth lächelte. Ich wußte, er meinte kein Wort davon. Aber ich kam ihm entgegen.
    »Da ist was dran, Seth. Ich werd’s mir überlegen.«
    »Na also.« Seth hob, da wir meinen Wagen erreichten, in einer Abschiedsgeste seinen Schläger hoch, und dann ging er den Berg hinunter auf die Sporthalle zu. Ich blickte zum dunklen Fenster meines Büros hinauf, wo Seths Frau gewesen war; inzwischen war sie höchstwahrscheinlich auf dem Nachhauseweg. Und das hielt ich für die beste Idee. Ich stieg in meinen Wagen, ließ den Motor an und machte mich selber auf den Weg nach Hause.
    Um zehn Uhr dreißig bin ich sauber gewaschen und rasiert und trage das Beste, was ich für Ostern aufzubieten habe – einen leichten Seersucker-Anzug, der noch aus meiner Studentenzeit stammt. Auf meinem Weg zum hinteren Ausgang sehe ich Bosobolo vorn durch die Haustür kommen. Er hat Frisker ins Haus schlüpfen und an mir vorbei in die Küche flitzen lassen.
    Ich bleibe in der Tür stehen und mustere ihn einen Moment lang von oben bis unten, frech und taxierend. Er ist ein Mann, den ich bewundere, ein knochendürrer Afrikaner mit strengen Gesichtszügen, fast mit Sicherheit der Typ, der einen langen Eingeborenenpenis hat. Wir glauben, daß wir den gleichen ausgefallenen, feinen – und, wie wir schon immer finden, einmaligen – Sinn für Humor haben, und gehen deshalb umsichtig und respektvoll miteinander um. Ihm gefällt es, daß ich ohne sichtbares Selbstmitleid allein lebe und daß Vicki gelegentlich über Nacht bleibt. Ich schätze an ihm, daß er als Gegenmittel gegen die übertriebene Vergeistigung am Institut Hobbes studiert.
    Er hat seine schwarzen Missionarshosen an, ein kurzärmeliges weißes Hemd und Sandalen, dazu aber eine häßliche grelle orangefarbene Krawatte, die er am Tag seiner Ankunft aus Gabun in der 42. Straße kaufte und die ihn wie einen alten Bluesbarden aussehen läßt. Von meinem Auto aus habe ich ihn in letzter Zeit zweimal mit einem plumpen weißen Mädchen aus dem Seminar gesehen, die vielleicht halb so alt ist wie er: Arm in Arm waren sie am Rand der Anlagen spazierengegangen. Es liegt auf der Hand, daß sich da in ihrer kleinen Dachstube – oder

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