Sportreporter
habe ich den Wunsch, Sie wiederzusehen. Das war damals eine wichtige Unterhaltung für mich. Ich hoffe, das wissen Sie.«
»Mir hat’s auch Spaß gemacht, Melody.« (Dabei wußte ich allenfalls noch, daß Melody gesagt hatte, sie habe eigentlich Tänzerin werden wollen, aber ihr Vater sei immer dagegen gewesen, und in ihrem weiteren Leben habe sie dann eine Trotzhaltung gegen ihren alten Herrn und alle Männer eingenommen. Ich weiß auch noch, daß ich dachte, sie sehe in mir möglicherweise etwas anderes als einen Mann.)
»Ich gründe eine Tanzschule hier im Ort«, sagte Melody. »Von der Gemeinde hat man mir Unterstützung zugesagt. Wahrscheinlich werden Berkshire-Studenten mitmachen, und auch die Schule wird sich beteiligen. Ich nehme selber wieder Stunden, fahre zweimal die Woche nach Boston. Seth versorgt die Kinder. Das ist alles ganz schön hektisch, aber es ist eine tolle Sache. So richtig losgehen wird’s zwar frühestens im nächsten Herbst, aber es hat alles an dem Abend angefangen, als wir uns über den Feuervogel unterhielten.« Sie lächelte mich an, stolz auf sich selbst.
»Das hört sich großartig an, Melody«, sagte ich. »Ich kann Sie nur bewundern. Seth ist stolz auf Sie, das weiß ich. Er hat es mir gegenüber mal erwähnt.« (Eine glatte Lüge.)
»Frank, mein Leben hat sich wirklich verändert. Vor allem, was Seth betrifft. Ich hab ihn nicht verlassen. Und ich werd’s auch nicht tun – jedenfalls nicht sofort. Aber ich habe meine Freiheit verlangt. Die Freiheit, alles zu tun, was ich will und mit wem ich will.«
»Das ist gut«, sagte ich. Aber ich wußte nicht so recht, ob es wirklich gut war. Ich machte auf meinem Drehstuhl einen Schwenk und blickte aus dem Fenster, hinunter auf den verschneiten Hof, wo ein paar dämliche Studenten eine Schneeburg bauten, und warf dann einen Blick auf die Wanduhr, als hätte ich einen Termin. Ich hatte keinen.
»Frank. Ich weiß nicht, wie ich es sagen soll, aber ich muß es so sagen, weil es so ist. Ich will eine Affäre haben. Und ich möchte sie gern mit Ihnen haben.« Das sagte sie mit einem kalten Lächeln, das ihre Pflaumenlippen alles andere als küssenswert erscheinen ließ. »Ich weiß, Sie haben was mit Selma. Aber Sie können auch mit mir was haben, nicht wahr?« Sie knöpfte den schweren Mantel auf und ließ ihn hinter sich auf den Boden gleiten. Ich sah, daß sie einen Gymnastikanzug in den Collegefarben anhatte, halb rot und halb weiß. »Ich habe meine Reize«, sagte sie, zog den einen Träger ihres Gymnastikanzugs über die Schulter herab, entblößte mitten in meinem Büro eine sehr hübsche Brust und schickte sich an, den anderen roten Träger über die Schulter zu ziehen.
Aber ich sagte: »Moment mal, Melody. Das ist ziemlich ungewöhnlich.«
»Alles, was ich bisher getan habe, war gewöhnlich, Frank. Aber inzwischen habe ich mich entschieden, im Bett eine ganze Menge nachzuholen.«
»Das ist eine gute Idee«, sagte ich. »Am besten warten Sie hier auf mich. Ich will vorher noch etwas erledigen. Ziehen Sie Ihren Mantel wieder an.« Ich hob ihren Mantel auf, den sie auf den Boden hatte fallen lassen, und legte ihn ihr um die Schultern; sie blieb auf dem Stuhl sitzen, die reizenden Brüste nun beide entblößt, die Lippen so voll und schön, wie sie wahrscheinlich überhaupt nur sein konnten, der rot-weiße Gymnastikanzug bis zu den Hüften herabgezogen. Und ich ging hinaus auf den Gang, machte die Tür hinter mir zu, nahm am Fuß der Treppe meinen Mantel vom Haken und trat hinaus auf den großen Innenhof, um zu meinem Wagen zu gehen. Die Studenten gaben ihrer Schneeburg den letzten Schliff, und die ersten bewarfen sich schon übermütig mit Schneebällen. Die Vorlesungen waren bereits zu Ende, und die Prüfungen noch zu weit weg, als daß sie jemanden beunruhigt hätten. Es ist die beste Zeit auf einem Campus, und die beste Zeit, ihm den Rücken zu kehren.
Als mir mitten auf dem Innenhof ein Mann entgegenkam, war es ausgerechnet Seth Fairbanks, Melodys Mann, der sich mit einer Tasche voller Bücher und einem Squash-Schläger zur Sporthalle schleppte. Der schlanke, drahtige Mann mit dem feinen schwarzen Schnurrbart hatte an der NYU studiert und beschäftigte sich in seinem Unterricht mit dem 18. Jahrhundert, aber auch mit einigen modernen Romanen. Wir hatten uns einmal über einige meiner Lieblingsbücher unterhalten, und es stellte sich heraus, daß er alles haßte, was ich je gern gelesen hatte, und daß er mit hieb- und
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