Sportreporter
versteh ich das nicht.«
»Es ist auch schwer zu verstehen.«
Die Fahrertür an dem Trans-Am geht auf, ein farbiger Junge mit Sonnenbrille steigt aus und starrt mich an, wobei sein Kopf kaum über die Wagentür reicht. Er scheint die Entfernung zwischen uns abzuschätzen. Ich weiß nicht, ob er erwägt weiterzumachen und auch die Telefonzelle zu rammen.
»Wart mal einen Moment.« Ich trete ins Freie, wo er mich sehen kann. Ich winke, und er winkt zurück, und dann steigt er wieder in seinen Wagen und stößt langsam zwanzig Meter zurück – ohne jeden Grund, denn er ist mitten auf einem leeren Parkplatz –, ehe er den Vorwärtsgang einlegt und langsam zum Ausgang beim Ground Zero fährt. Als er auf die Straße einbiegt, hupt er für das Serviermädchen, und sie schmäht ihn noch einmal mit dem ausgestreckten Finger. Sie ist eine Weiße, versteht sich.
»Was ist denn nun wirklich los?« fragt Selma. »Hat dich jemand verletzt?«
»Nein. Sie haben mich nicht erwischt.« Mit dem Fuß schiebe ich die Ecke des Einkaufswagens zu dem kaputten Fenster hinaus. Auf Kniehöhe weht ein leichter Wind herein. Auf der anderen Seite des Parkplatzes unterhält sich das Serviermädchen mit jemandem über das Geschehene. Es würde eine gute Episode für »Vorsicht Kamera« abgeben, wobei nur unklar ist, wer dabei der Dumme wäre. »Kaum ruf ich dich an, und schon kracht hier alles zusammen. Es tut mir leid.« Der Einkaufswagen fällt vollends aus dem Fenster.
»Das macht doch nichts«, sagt Selma und lacht.
»Es muß aussehen, als ob mein Leben nur aus Chaos und Verwirrung besteht«, sage ich und denke zum ersten Mal an diesem Nachmittag an Walters Gesicht. Ich sehe es lebend vor mir, dann starr und tot, und mir drängt sich der Gedanke auf, daß er einen schrecklichen Fehler gemacht hat und daß ich ihn vor diesem Fehler hätte warnen können, wenn ich nur rechtzeitig daran gedacht hätte.
»Sicher, es sieht schon danach aus.« Selma scheint wieder belustigt. »Aber das macht auch nichts. Es scheint dich nicht zu stören.«
»Was würdest du sagen, wenn ich mich in einen Zug setzte und heute abend zu dir raufkäme? Oder ich könnte mit dem Auto fahren. Was meinst du?«
»Nein. Das wär nicht so gut.«
»Okay.« Ich schwebe jetzt wie auf Wolken. »Und wie wär’s in ein paar Tagen? Ich bin zur Zeit nicht sehr beschäftigt.«
»Vielleicht, ja.« (Geringe Begeisterung für dieses Vorhaben, aber wer würde mich schon als mitternächtlichen Besucher wollen?) »Nein, ich glaube, es ist doch keine so gute Idee.« Ihre Stimme deutet verschiedene Dinge an, ein Übermaß an besseren Möglichkeiten.
»Okay«, sage ich und finde es möglich, ein wenig Mut zu fassen. »Ich bin froh, daß ich mit dir reden kann.«
»Ja, es ist sehr, sehr schön. Es ist immer sehr schön, von dir zu hören.«
Am liebsten würde ich ja sagen: Geh doch zum Teufel, es gibt nicht so viele Möglichkeiten in der Welt, die besser wären als ich. Sieh dich mal um. Tu dir doch den Gefallen . Aber was müßte das für ein Mann sein, der so was sagt? »Ich sollte jetzt wahrscheinlich gehen. Ich muß nach Hause fahren.«
»Ja. Gewiß«, sagt Selma. »Du solltest auf dich aufpassen.«
»Geh zum Teufel.«
»Ja, auf Wiedersehen«, sagt Selma – Queen Anne-Haus, strahlende Aussichten, geordnetes Dozentenleben, Segelboote, Straßen voller Laub, vom Wind durcheinandergewirbelt, und alles plötzlich wieder verschwunden.
Ich trete aus dem Scherbenhaufen hinaus auf den windigen Parkplatz, und mein Herz pocht wie ein Außenbordmotor. Ein paar langsame Wagen befahren die 524, doch sonst ist der Ort – hier in seinen Randbezirken – in der diesseitigen Ziellosigkeit des Sonntags versunken, die für die Einsamen dieser Welt durch das Osterfest nur noch verschlimmert wird. Und aus irgendeinem Grund komme ich mir blöd vor. Der farbige Junge im Trans-Am gleitet vorbei, blickt mich an, als sähe er mich zum ersten Mal, fährt bei Gelb über die Kreuzung und dann zur Stadt hinaus, nach Point Pleasant und zu den Badestränden, in Gedanken schon beim nächsten weißen Mädchen. Sein Armaturenbrett, sehe ich, ist mit weißem Pelz überzogen.
Wie bin ich eigentlich hierhergeraten, das würde ich gern wissen, denn wenn ich mich in einer ungewohnten Umgebung wiederfinde, habe ich gewöhnlich das Bedürfnis, ein paar Dinge zu addieren, zu überlegen, welche Kräfte mich hierhergeführt haben, und mich zu fragen, ob dieser Kurs für das, was ich mein Leben nennen würde,
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