Sportreporter
nicht mal eine Rolle. Die sind an jedem interessiert.»
»Mhm …«
»Nein, wirklich, es ist eine gute Idee, finde ich. Es wird bestimmt Ihren Horizont erweitern.« Ich würde ihr jederzeit auf dem Briefpapier des Magazins eine Empfehlung schreiben: Einem Mädchen wie Debra Spanelis begegnet man gewiß nicht alle Tage. Die würden sie sofort nehmen.
»Ich hab ein Baby, einen kleinen Jungen«, sagt Debra mit einem Seufzer. »Ich glaube kaum, daß die Yellowstone-Leute ihn akzeptieren würden.« Sie sieht mich an, die Augen glanzlos, der Mund hart wie bei einer erwachsenen Frau, und blickt dann wieder hinüber zum Ground Zero , wo unter den flatternden Markisenenden nicht ein einziges Auto steht.
Sie hat jedes Interesse an mir verloren, und ich kann es ihr nicht verargen. Ich hätte ebensogut Französisch vom Planeten Pluto reden können. Ich bin in keinem Fall der Mann für die richtigen Antworten.
»Nein, das glaube ich auch nicht«, sage ich undeutlich.
Debras Blicke wandern zurück zu mir, und sie ist erstaunlich locker. Mein Pappbecher ist mittlerweile wachsweich, und wir haben einander nicht mehr viel zu sagen. Es gibt nun mal Begegnungen, die keinem irgendeine Verbesserung bringen – eine unangreifbare Tatsache des Lebens. Einige kleine, leere Momente sind bei allem guten Willen und hoffnungsfrohen Erwartungen nicht zu vermeiden.
»Und wie fühlen Sie sich jetzt?« In der Art eines Anwalts legt sie einen Zeigefinger ans Kinn.
»Besser. Viel besser. Das hier hat sehr geholfen.« Mit einem optimistischen Lächeln deute ich auf meinen Pappbecher.
»Das war wohl eine Art Medizin.« Sie verlagert das Gewicht aufs andere Bein und hält sich mit den Fingerspitzen an der Fensterscheibe fest. »Finden Sie’s schlimm, daß ich noch keine festen Pläne habe?« Sie blinzelt mich an und versucht für den Fall, daß ich mich für eine Lüge entscheiden sollte, meine richtige Antwort zu erraten.
»Überhaupt nicht«, sage ich. »Sie werden schon noch Pläne machen. Und das kann ganz schnell gehen. Sie werden sehen.« Ich blinzle unsicher. »Ihr Leben wird sich noch fünfzigmal ändern, bevor Sie fünfundzwanzig sind.«
»Weil, ich werd nämlich älter, okay? Ich will nicht mein ganzes Leben verpennen.« Sie trommelt mit den Fingernägeln auf die Glasscheibe und läßt es gleich wieder sein. Ich muß an Herb Wallaghers Traum von Tod und Haß denken. Jeder hat ein absolutes Recht auf Glück, aber manchmal gibt es nichts, womit du selber dazu beitragen kannst.
»Das werden Sie auch nicht«, sage ich. »Es liegt ja noch vor Ihnen.« Ich will ihr mit einem breiten Grinsen Mut machen, aber ich glaube, es bringt uns beide nicht weiter.
»Klar, okay.« Zum ersten Mal lächelt sie; es ist das Lächeln eines schüchternen Mädchens, höflich und voller Zweifel. »Ich muß gehen.« Sie blickt flüchtig zum Ground Zero hinüber, wo ein gelber Corvette unter die Markise gerollt ist; der rote Blinker blinkt weiter.
»Soll ich Sie rüberfahren?«
»Nee, das Stück kann ich gehen.«
»Vielen Dank noch mal.« Sie wirft einen Blick auf die Telefonzelle, wo der Einkaufswagen an dem fensterlosen Rahmen lehnt und der Hörer von der Gabel gerutscht ist. Es sieht trostlos aus. Ich würde von dort aus nicht mehr telefonieren wollen.
»Haben Sie schon mal übers Skilaufen geschrieben?« fragt sie und schüttelt dazu den Kopf, als kenne sie die Antwort schon im voraus. Der Wind wirbelt Staub auf und bläst ihn uns ins Gesicht.
»Nein, ich kann nicht mal Ski laufen.«
»Ich auch nicht«, sagt sie, lächelt wieder und seufzt dann. »Also dann. Einen schönen Tag noch. Wie heißen Sie noch mal?« Sie ist schon im Gehen.
»Frank.« Aus irgendeinem Grund behalte ich den Familiennamen für mich.
»Frank«, sagt sie.
Wie ich sie so über den Parkplatz auf das Ground Zero zugehen sehe, die Hände in der Tasche nach einer neuen Zigarette angelnd, die Schultern wegen eines kalten Windes hochgezogen, der gar nicht weht, da sind ihre Hoffnungen auf einen schönen Tag vermutlich so begründet wie meine: Wir sind beide draußen im Wind, erwartungsvoll, für eine Verbesserung jederzeit erreichbar. Und ich habe die Hoffnung, daß uns beiden ein wenig Glück beschert sein möge. Im Leben geht es nicht ständig aufwärts.
Zwölf
Es ist die letzte Stunde des Tages, wenn aus tiefen Schächten Schatten steigen und unstetes Halblicht, wenn der späte Nachmittag endet und der frühe Abend beginnt und wir alle den Wunsch haben, uns in einen
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