Sportreporter
auf, Frank.
Ich hätte gern, daß dies wenigstens ein interessanter Brief wird, wenn es schon kein Romanbestseller sein kann. Ich habe das Gefühl, ich weiß jetzt ganz genau, was ich tue. Das ist kein leeres Geschwafel. Man muß verrückt sein, wenn man sich das Leben nimmt. Also, das kannst Du vergessen. Man kann gar nicht klarer sein im Kopf. So viel steht fest.
So, Frank, und jetzt kommt der dicke Hund: Ich habe eine Tochter! Und ich weiß ganz genau, was du jetzt denkst. Es ist aber so. Sie ist neunzehn. Eine dieser unglückseligen Liebesaffären unter Teenagern, noch in Ohio, im Frühsommer in meinem zweiten Jahr am College, als ich selber noch neunzehn war! Sie heißt Susan – Suzie Smith. Sie lebt in Sarasota in Florida bei ihrer Mutter Janet, die mit irgendeinem Matrosen oder Verkehrspolizisten zusammenlebt. So genau weiß ich’s nicht. Ich schicke ihnen immer noch Schecks. Ich würde gern mal runterfahren, um einiges für sie aufzuklären. Und für mich. Ich hab sie nämlich nie gesehen. Es hat damals eine Menge Ärger gegeben. Heute würde das natürlich nicht passieren. Aber ich fühle mich ihr sehr nahe. Und Du bist der einzige, der damit irgendwas anfangen kann, Frankie. Ich hoffe, es macht Dir nichts, wenn ich Dich bitte, runterzufahren und mit ihr zu reden. Vielen Dank im voraus. Du hast den kurzen Urlaub gebraucht, stimmt’s?
So klar im Kopf wie jetzt habe ich mich das letzte Mal in Grinnell draußen gefühlt, als ich mich entscheiden mußte, ins Leichtgewicht aufzurücken, und das Federgewicht, in dem ich erfolgreich war, aufzugeben, weil ganz plötzlich einer auftauchte, der besser war – zudem einer im ersten Semester. Ich mußte ganz aufgeben oder eine große Entscheidung treffen. Ich gewann schließlich auch in der höheren Gewichtsklasse manchen Kampf, aber ich war nie mehr so gut. Und ich war nie wieder stolz auf mich. Ich bin auch jetzt nicht stolz auf mich, aber ich glaube, ich hätte jedes Recht dazu.
Alles Gute,
Wally
Alles Gute ? Ausgerechnet von ihm, sehr glaubwürdig! Erst alles Gute, und dann – zack – eine Kugel in den Kopf? Wieso werden wir so sehr von Leuten in Anspruch genommen, die wir nicht mal kennen, das wäre meine Frage an den Briefkastenonkel. Ich würde in diesem Moment alles darum geben, Walter Luckett jun. nie gekannt zu haben; oder wenn er noch lebte, könnte ich ihn fallenlassen wie eine heiße Kartoffel, und er hätte dann keinen Adressaten für seinen blödsinnigen Brief und müßte auf die großen Fragen selber eine Antwort finden. Vielleicht hätte er dann seinen Roman zu Ende schreiben können. In gewisser Weise könnte man sagen, wenn ich nicht sein Freund wäre, würde er noch leben.
Wer hat eigentlich in seinem Leben ewig mit dem Unerklärlichen zu tun? Ein Astronaut? Der Boxweltmeister aller Klassen? Ein Stammesangehöriger der Ubangi? Sogar der alte Bosobolo muß einen höheren akademischen Grad anstreben, und eine sichere Sache ist es dann immer noch nicht, was auch seine heimliche Liebschaft erklärt. Wenn Walter hier wäre, würde ich ihm mal gründlich den Kopf waschen.
Er hätte Mrs. Miller finden können (falls er von ihr gewußt hätte); er hätte bis in die Nacht hinein in Katalogen blättern oder Johnny einschalten oder eine Hundertdollarhure wegen eines Hausbesuchs anrufen können. Er hätte einen Grund aufstöbern können, weiterzuatmen. Ist die gewöhnliche Welt denn zu etwas anderem da, als uns Gründe dafür zu liefern, nicht vorzeitig auszusteigen?
Walters Verhältnisse wären ein gutes Argument für eine Reise nach Bimini, wo ich seine Schulden begleichen könnte, oder für einen Ausflug zum Yellowstone Park in einem Supercamper. Nur daß ich jetzt nicht einmal diesen Luxus genießen kann. Das einzige, was ich habe, ist ein furchtbarer, blasser, faktischer Tod, der, wenn du erst anfängst, darüber nachzudenken, nicht mehr weggehen wird und sich in deinem Leben festsetzt wie ein totes Stinktier unter der Veranda.
Und eine Tochter? Nichts zu machen. Ich habe meine eigene Tochter. Und auch sie wird schon bald genug einige Erklärungen hören wollen. Und das ist, ehrlich gesagt, das einzige, an dem mir gelegen ist: die Antworten, mit denen ich dann aufwarten kann. Was Walter auf dieser Erde zugestoßen ist, ist allein Walters Sache. Es tut mir ja verdammt leid, aber er hatte seine Chance wie wir anderen auch.
Plötzlich haben wir das üppig wuchernde Grasland hinter uns und sind schon in dem langen Tunnel nach Gotham, wo draußen
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