Sportreporter
Worte, für die selbst eine heiße Liebesnacht kein ausreichendes Gegengift wäre.
Im staubigen Bahnhofslicht wird sie klein – quälend klein und undeutlich –, das Bild eines Augenblicks, in dem aus Gewißheit Verwirrung wurde; verwirrt unter anderem deshalb, weil die Menschen hier draußen so anders an Dinge herangehen, weil sie abrupter sind, weniger bereit, sich festzulegen, weniger geübt in den altmodischen Manieren; verwirrt, weil das geringste unter den Kindern Gottes fähig ist, jemandem seine Hilfe zu verweigern und damit einen schlechten Dienst zu erweisen. Mag sein, daß Pat/Fran recht hat. Es ist verwirrend, obwohl es manchmal besser ist, kein Risiko einzugehen. Denn wenn du zu viele Risiken eingehst, kann es dir passieren, daß du am Ende nichts hast, was dir in der Nacht Gesellschaft leistet, außer deinem eigenen Bedauern – und das in einer Nacht, die einfach nicht enden will, nicht um alles in der Welt.
Dreizehn
Klapper-di-klack, wir schwanken und schaukeln durch den düsteren Korridor im abendlichen Jersey nach Norden. Ich sitze in einem der alten Wagen mit geflochtenen braunen Kunststoffsitzen und bauchigen Fensterscheiben. Ein Geruch wie von erhitztem Metall zieht durch die Gänge zwischen den Sitzen und haftet an den Gepäcknetzen, während die alten Lichter flackern und trübe werden. Es ist die Kehrseite der Medaille »öffentliche Verkehrsmittel«.
Trotz allem tut es aber gut, unterwegs zu sein. Da ich den Sitz gegenüber mitbenutzen kann, habe ich keine Mühe, es mir bequem zu machen; ich lege die Füße hoch und sehe draußen die Sternenstädtchen Edison, Metuchen, Metropark, Rahway und Elizabeth vorbeigleiten.
Ich habe natürlich nicht die geringste Ahnung, wo ich hinfahre oder was ich nach meiner Ankunft dort tun werde. Schnelle Fluchten vor finsteren Mächten sind manchmal lebenswichtig, doch was dann folgt, kann Verwirrung stiften. Den Abendzug nach New York habe ich mit Sicherheit nicht mehr benutzt, seit ich einmal an einem Winterabend, als es schneite, mit X raufgefahren bin, um Porgy and Bess zu sehen. Wie lange mag das her sein – fünf Jahre? Acht? Die spezifischen Einzelheiten aus der Vergangenheit haben eine Art, sich zu vermischen, ein Vorgang, der mich nicht sonderlich stört. Und heute abend schreckt mich die Aussicht, in Gotham aus dem Zug steigen zu müssen, nicht so wie sonst. Es scheint mir eine weniger fremd wirkende Welt mit dem reizvollen Ruch des Verbotenen, wie eine Frau, die du kaum kennst und kaum begehrst, die dich aber trotzdem läßt. Alles ändert sich. Das ist etwas, auf das wir uns freuen können. Tatsächlich könnte ich, wenn ich heute abend in einem dieser heimlich-heimeligen Jersey-Nester aussteigen würde, von einer schlimmeren Panik erfaßt werden, als mir das in New York je passiert ist.
Nur ein paar vereinzelte Fahrgäste teilen den Wagen mit mir. Die meisten schlafen, und von den Gesichtern, die ich vom Bahnsteig aus gesehen habe, erkenne ich hier keines wieder. Ich hätte nicht mal etwas dagegen, ein bekanntes Gesicht zu sehen. Bert Brisker wäre zum Beispiel ein willkommener Begleiter, ganz erfüllt von einem langen, mit kleinen Neuigkeiten gespickten Exkurs über das Buch, das er gerade rezensiert, oder über ein Interview, das er mit einem berühmten Autor gemacht hat. Ich würde gern wissen, wie er über die Zukunft des modernen Romans denkt. (Mir fehlen diese Insider-Gespräche auf Gesellschaften, die Gelegenheit, wieder einmal bestätigt zu bekommen, daß du mit deiner Schulbildung nicht völlig auf dem trockenen sitzt.) Gewöhnlich steckt Bert tief in seiner eigenen Arbeit und ich in der meinen. Und wenn wir diese Ebene, wo wir in unserer eigenen Codesprache witzeln und nörgeln, erst verlassen, fällt kaum noch ein weiteres Wort zwischen uns. Aber im Augenblick würde mir so ein freundliches Wortgefecht Spaß machen. Das ist bei mir zu kurz gekommen; das ist einer der schlechten Aspekte der Tatsache, daß ich oft in Gesellschaft mit Sportlern und Menschen bin, die ich nicht gut kenne und nie gut kennen werde, Menschen, die verdammt wenig zu sagen haben, was von allgemeinem Interesse wäre. Als Sportreporter – traurig, aber wahr – verbringst du dein Leben zum größten Teil mit deinen eigenen Gedanken und bekommst mit den Gedanken anderer nur am Rand zu tun. Genau das ist der Grund, weshalb Bert aus dem Geschäft ausgestiegen ist und weshalb er heute abend zu Hause bei Penny und seinen Mädchen und seinen Schäferhunden ist und
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