Sportreporter
immer noch mit den weißen Nummernschildern aus Texas und blitzblank. Die letzten Reste des Gewitterregens verziehen sich nach Norden in die Brunswickberge, als ich neben ihr parke, und die Luft ist von einem silbrig-chemischen Geruch erfüllt. Doch bevor ich aussteigen kann, sehe ich zu meiner Überraschung Vicki vorn in ihrem Auto sitzen, von der großen Nackenstütze fast ganz verdeckt. Ich drehe das Fenster auf der Beifahrerseite herunter, und sie sitzt hinter dem Lenkrad und schaut zu mir herüber, die schwarzen Haare zu einer kunstvollen Loretta Lynn-Frisur arrangiert, links und rechts von einem Scheitel straff zum Hinterkopf und zu den Ohren geführt, dann in Korkenzieherlocken gerade auf die Schulter herabhängend.
Gegenüber, in dem neuen Bauabschnitt, sitzen zwei Bauarbeiter und grinsen vom halbfertigen ersten Obergeschoß herunter. Es ist offensichtlich, daß sie sich vor meiner Ankunft über irgend etwas prächtig amüsiert haben.
»Ich dachte mir, du würdest wahrscheinlich nicht kommen«, sagt Vicki, zaghaft wie ein Schulmädchen, zum offenen Fenster heraus. »Ich saß da oben nur rum und hab darauf gewartet, daß das Telefon läutet und daß du mir absagst. Deshalb bin ich dann lieber hier runter und hab mir ein paar Kassetten angehört, die ich gern höre, wenn ich traurig bin.« Und mit einem sanften, unsicheren Lächeln fügt sie hinzu: »Du wirst mich doch nicht ausschimpfen, oder?«
»Wenn du jetzt nicht sofort zu mir rüberkommst, dann schon«, sage ich.
»Ich hab’s ja gewußt«, jubelt sie, kurbelt rasch das Fenster hoch, schnappt ihre Tasche und springt im Handumdrehen aus dem Dart und in mein Leben. »Ich hab mir gesagt: Vicki, sag ich, wenn du da rausgehst, kommt er bestimmt, und tatsächlich, es hat geklappt.«
Alle Ängste sind augenblicklich verflogen, zurück bleiben zwei kopfschüttelnde Bauarbeiter. Ich könnte ihnen, denke ich beim Anfahren, mit der Lichthupe zuzwinkern und ihnen nur halb soviel Spaß wünschen, wie ich selbst erwarte. Doch sie würden das wahrscheinlich falsch verstehen. Aber beim Rückwärtsfahren grinse ich dann doch zu ihnen hinüber, wir verlassen Pheasant Meadow und fahren hinunter zur Landstraße 33, die uns zur New Jersey-Autobahn bringen soll; Vicki drängt sich an mich, drückt meinen Arm und seufzt wie ein aufgeregter Teenager.
»Warum hast du geglaubt, ich würde nicht kommen?« frage ich, während wir uns durch das regentriefende Hightstown winden, und ich denke bei mir, daß ich von Glück sagen kann, ein Auto mit einer altmodischen Sitzbank zu haben.
»Blödsinn, ich weiß. Ich hab irgendwie gedacht, es wäre zu schön, um wahr zu sein.« Vicki hat schwarze Hosen an, die knapp sitzen, aber nicht zu knapp, eine schicke weiße Rüschenbluse mit passendem Halstuch, eine blaue, superweiche Wildlederjacke direkt aus Dallas und Schuhe mit durchsichtigen Kunststoffabsätzen. Es ist ihre elegante Reisekleidung, zusammen mit ihrem Nylon-Köfferchen von Le Sac und ihrem kleinen schwarzen Etui, in dem sie ihr Diaphragma aufbewahrt. Sie ist ein Mädchen für alle modernen Fälle, und ich ertappe mich dabei, daß mich selbst die kleinsten Einzelheiten ihres Lebens interessieren können. Sie sieht aus dem Fenster, während die hoch aufragenden Verwaltungsgebäude von Hightstown vorbeiziehen. »Außerdem ist mir gestern abend ein Patient unter den Fingern weggestorben. Ich hab noch mit ihm geredet, ihn gefragt, wie’s ihm geht und so. Eigentlich hätte ich ja gar nicht arbeiten müssen, aber eine Kollegin ist krank geworden. Das war ein Farbiger. Und er hatte eine kaputte Leber im Endstadium, war schon in der Urämie, wie sie ihn eingeliefert haben, aber das ist gar nicht soo schlecht, denn dann träumen sie gern von früher, und das lenkt sie ab.« (Ein kleiner Seufzer der Erleichterung, weiß ich jetzt doch, wo sie gestern abend war. Ich hatte vergeblich angerufen, und das hatte die schlimmsten Befürchtungen in mir geweckt.) »Aber du gewöhnst dich nie richtig an den Tod, und deshalb bin ich ja vom OP weg und in die Notaufnahme runter. Wir sollten’s eigentlich wegstecken können, aber ich schaff’s einfach nicht. Mir macht’s viel weniger aus, wenn sie einen Typ zusammengeschlagen haben und er ist blutig und alles, als wenn einer innen drin kaputtgeht. Wahrscheinlich war ich auch deshalb unruhig. Ich hab ja gewußt, daß du heute morgen auf dem Friedhof warst.«
»Das ist alles sehr gut gelaufen«, sage ich, und im großen und ganzen stimmt das
Weitere Kostenlose Bücher