Sportreporter
von Postbenutzern und Versandhauskunden. Es ist jederzeit möglich, ohne Voranmeldung die Haare geschnitten zu bekommen, oder wenn man abends allein ausgeht – nach meiner Scheidung habe ich das oft getan –, hat man keine Mühe, sich oben in der August Inn einen Drink spendieren zu lassen, denn dort sieht sich bestimmt ein alter Hase in buntkarierten Hosen das Baseballspiel an und hört lieber ein paar freundliche Bemerkungen über Ike, als zu seiner Frau nach Hause zu gehen. Manchmal kannst du sogar mit einigen Cocktails und einem heißen Plausch die Sekretärin eines trägen Versicherungsmaklers überreden, mit dir den Delaware rauf zu einem Rasthaus zu fahren und dort den warmen Frühlingsabend zu genießen. Solche Nächte gestalten sich oft gar nicht übel, und in den ersten paar Monaten habe ich das mehrere Male und ohne Reue praktiziert.
Es gibt eine kleine Zahl wohlhabender Neuengland-Emigranten, größtenteils Pendler, die unten in Philadelphia arbeiten und am Kap oder am Lake Winnepesaukee einen Sommersitz haben. Daneben haben wir eine kleine Gruppe aus dem Süden – die meisten aus Carolina und irgendwie zum Seminar gehörig – mit eigenen Winterwohnungen auf Beaufort Island und Monteagle. Ich habe nie genau in eine dieser beiden Gruppen gepaßt (nicht einmal, als X und ich hier ankamen); ich gehöre vielmehr zu der anderen, größten Gruppen, zu den Leuten also, die zufrieden das ganze Jahr dort wohnen und so tun, als hätten sie etwas Fundamentales entdeckt, das, glaube ich, nichts mit Geld zu tun hat, sondern mit einem bestimmten Bewußtsein: auf eine ordentliche Art und Weise an einem Ort zu leben, ist etwas, wofür wir alle lange in die Schule gegangen sind, und nun, da wir erwachsen sind und die Zeit da ist, halten wir durch.
Republikaner haben im Ort das Sagen, was nicht so schlimm ist, wie es sich vielleicht anhört. Es sind entweder große, weißhaarige alte Herren mit einer Yale-Vergangenheit, mit kantigen Gesichtszügen, feuchten blauen Augen und einer pikanten OSS-Vergangenheit; oder aber es sind eingefleischte Handelskammerleute im Ruhestand, kleine Männer, die in der Stadt aufgewachsen sind und dort ihren eigenen Freundeskreis haben, Leute mit klaren Vorstellungen von Grundstückswerten und freiem Unternehmertum. Eine Handvoll finster dreinschauender Italiener stellen die Polizei – Nachkommen der Einwanderer, die in den zwanziger Jahren zum Bau der Seminarbibliothek ins Land geholt worden waren und die The Presidents erschlossen, wo X heute wohnt. Von beiden, den Republikanern und den Italienern, wird der Grundsatz »Entscheidend ist, daß jeder weiß, wo er hingehört« absolut ernst genommen, und alles läuft so ruhig, wie man es sich nur wünschen kann – so daß man sich fragt, warum die beiden das Land nicht besser im Griff haben. (Es ist nur ein Glück, daß ich mit meinen vor 1975 verdienten Dollars hier bin.)
Zum Negativen gehört, daß die Steuern irrsinnig hoch sind. Die Kanalisation könnte die Ausgabe von Obligationen gebrauchen, besonders dort, wo X wohnt. Aber es gibt fast keine Verbrechen gegen Menschen. Es gibt Ärzte zuhauf und eine anständige Klinik. Und auf Grund der Südwinde ist das Klima so mild wie in Baltimore.
Redakteure, Verleger, Mitarbeiter von Time und Newsweek , CIA-Agenten, Staranwälte, Unternehmensberater, dazu die Generaldirektoren einiger großer Unternehmen, die zu den Meinungsbildnern gehören – sie alle wohnen an diesen gewundenen Straßen oder draußen auf dem Land in großen, abgeschiedenen Häusern und fahren mit der Bahn nach Gotham oder Philadelphia. Sogar die Dienstboten und Angestellten, die meisten davon Farbige, führen in ihren sommerlichen, mit Markisen gesprenkelten Seitenstraßen am Wallace Hill hinter dem Krankenhaus, wo sie ihre eigenen Häuser besitzen, allem Anschein nach ein erfülltes Leben.
Alles in allem ist es keine interessante Stadt, in der wir leben. Aber genauso gefällt es uns.
Aus dem Grund bleibt es im Kino nach dem Vorprogramm und der freundlichen Aufforderung, nicht zu rauchen, immer ganz ruhig. Die wöchentlich erscheinende Zeitung besteht vor allem aus Immobilienanzeigen und hat wenig Interesse an großen Nachrichten. Die Seminaristen und Internatsschüler treten kaum in Erscheinung und sind es offenbar zufrieden, hinter ihren eisernen Toren zu bleiben. Die zwei Spirituosengeschäfte, die Gulf-Tankstelle und die Buchhandlungen gewähren jederzeit Kredit. The Coffee Spot , zu dem ich manchmal auf Ralphs
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