Sportreporter
seines kleinen Mädchens nach der bösen Vergangenheit mit Ehemann Everett wieder ins richtige Fahrwasser zu bringen.
Jedesmal wenn ich dort bin, ist alles genauso wie beim ersten Mal, wie am Boden festgenagelt und so rein wie unbedrucktes Zeitungspapier: wie Dachziegel angeordnet, liegen die neueste Ausgabe des Krankenschwesternmagazins, ein Verzeichnis von Seifenopern und die Fernsehzeitschrift auf dem Tisch, der an einen Tortenboden erinnert. Ein blitzendes Saxophon auf seinem Gestell, unbenutzt seit den Tagen der High-School-Band. Das Gäste-WC makellos sauber. Das Geschirr gespült und aufgeräumt. Alles so verläßlich wie im Holiday Inn die Suite für Jungverheiratete.
Mein eigenes Haus, gemütlich und übervoll, führt andere Ziele vor Augen, mit seinen vollen Zeitschriftenregalen, ausgebleichten Orientteppichen, knarrenden Türschwellen und all den Resten eines Eklektizismus in der Lebensmitte – allerlei Gegenstände aus einem früheren Leben mit seinen eigenen (und oft nicht erreichten) Zielen, Zeugnisse jedoch, die die echte Qualität eines Lebens so wenig ausdrücken wie ein neuer Barca-Sessel oder eine Wunderküche, auch wenn es oft anders zu hören ist. Ja, ich gehe inzwischen jedem Gerangel und Gezeter gezielt aus dem Weg. Und ich finde die Vorstellung reizvoll, in einer so neuen und anregenden Umgebung mit einer sofortigen Infusion aus bunten, frischen und unpersönlichen Möbeln noch einmal von vorn anzufangen. Ich hätte es vielleicht selber getan, wenn da nicht Paul und Clarissa gewesen wären und wenn ich nicht das Gefühl gehabt hätte, ich würde dann nicht von vorn anfangen, sondern nur mit höherem Einsatz weiterspielen. Und wenn ich nicht der Meinung gewesen wäre, unser Haus sei immer noch eine vernünftige Kapitalanlage. Das alles hat sich gut angelassen, und wenn ich in der Nacht einschlafe (ganz gleich wo – in St. Louis, Atlanta, Milwaukee oder sogar in Pheasant Meadow), dann meistens mit der Überzeugung, daß ich es für mich geschafft habe, die innere und die äußere Welt in Übereinstimmung zu bringen – genau das, wonach wir uns alle sehnen.
Vicki hat ihre Zigarette ausgedrückt und zupft jetzt mit Hilfe des in die Sonnenblende eingelassenen Spiegels an ihren Korkenzieherlocken. »Kommt es dir nicht komisch vor, daß wir miteinander spazierenfahren?« Sie zieht die Nase hoch, erst vor ihrem eigenen, dann vor meinem Gesicht, als erwarte sie keine ernst zu nehmende Antwort.
»Erwachsene tun das nun mal – sie fahren zusammen spazieren, übernachten in Hotels, amüsieren sich.«
»Äährlich?«
»Ehrlich.«
»Ja, kann sein.« Sie zieht eine Haarnadel aus der Manschette ihrer Bluse und nimmt sie zwischen die Lippen. »Ich hab mir einfach nie vorgestellt, daß ich so was tun würde. Everett und ich, wir sind manchmal nach Galveston gefahren. Ich war auch schon in Mexiko, aber nur auf der Durchreise.« Sie nimmt die Haarnadel aus dem Mund und vergräbt sie tief in ihren schwarzen Haaren. »Ach, übrigens, was bist du eigentlich?«
»Ich bin Sportreporter.«
»Ja, ich weiß. Ich hab Dinge von dir gelesen.« (Das ist mir neu! Was für Dinge?) »Ich meine, bist du eine Waage oder ein Zwilling? Du hast doch gesagt, daß es bis zu deinem Geburtstag keinen Monat mehr ist. Ich will rauskriegen, was du bist.«
»Ich bin Stier.«
»Und wie ist ein Stier?« Aus dem Mundwinkel beobachtet sie mich jetzt genau, während sie ihre Frisur vollends in Ordnung bringt.
»Ich bin ziemlich intelligent. Ich bin nicht zynisch, aber ich kann Menschen intuitiv beurteilen, und das mag mich wie einen Zyniker aussehen lassen.« All das kommt direkt von Mrs. Miller, meiner Handleserin. Es gehört bei ihr zum Service, mir – neben den Mutmaßungen über die Zukunft – solche Informationen zu geben, falls ich danach frage. Ich suche sie nach Möglichkeit mindestens alle vierzehn Tage auf. »Ich bin außerdem ziemlich großzügig.«
»Das stimmt, zumindest bei mir bist du das immer. Ich möchte bloß wissen, ob mit diesem Zeug Träume leichter in Erfüllung gehen. Ich weiß nicht viel darüber. Ich glaube, da könnte ich noch dazulernen.«
»Welche deiner Träume sind in Erfüllung gegangen?«
Sie verschränkt die Arme unter den Brüsten wie eine Freundin aus der High-School und starrt meilenweit vor sich hin. Es ist möglich, in ihr ein sechzehnjähriges unberührtes Mädchen und nicht die dreißigjährige, geschiedene Frau zu sehen, ein Mädchen, das noch nie im Leben etwas Schlimmes oder
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