Sportreporter
meinem Auto ausbreiteten wie Nebel auf dem Friedhof, so dicht, daß ich sie nicht einmal mit dem Öffnen des Fensters vertreiben konnte.
Nichts in der Welt gibt dir mehr Hoffnung, als zu wissen, daß es irgendwo eine Frau gibt, die du magst und die nur an dich denkt. Umgekehrt gibt es nirgends etwas Schlimmeres, als draußen in der Welt keine Frau zu haben, die an dich denkt. Schlimmer ist nur noch, wenn eine Frau aufgehört hat, an dich zu denken, weil du irgendwie zu dumm gewesen bist. Das ist so, wie wenn du aus dem Flugzeug blickst und feststellst, daß die Erde verschwunden ist. Keine andere Form von Einsamkeit kann damit konkurrieren. Und New Jersey, gedämpft und anpassungsfähig, ist – unbeschadet seiner anderen Vorzüge – die perfekte Landschaft für eben diese Einsamkeit. Michigan reicht fast heran, mit seinen langen, traurigen Alleen, seinen trostlosen Sonnenuntergängen über sich duckenden Fachwerkhäusern, nachgewachsenen Wäldern, topfebenen Autobahnen und Städten wie Dowagiac und Munising, Städten mit Eselsohren. Aber eben nur fast . New Jersey ist absolut die reinste Einsamkeit.
Durch die Enthüllung einer Vertraulichkeit, die er absolut nicht hätte zu enthüllen brauchen (schließlich wollte er keinen Rat), hatte mir Walter Luckett zum einen die ganze Vorfreude verdorben und zum anderen bestimmte Tatsachen des Lebens erläutert, über die ich viel lieber nichts Genaueres gewußt hätte.
Es gibt genügend Dinge in dieser Welt, von denen wir die genauen Fakten nicht zu wissen brauchen. Die widerliche Tatsache vom Kuschelmuschel zweier Männer in einem sonst von Handelsvertretern bevorzugten Hotel an der Seventh Avenue hat für mich nichts Rätselhaftes – so wenig, wie beispielsweise eine elektrische Gitarre oder der Twist oder ein alter Studebaker. Nur Tatsachen. Walter und Herr Soundso könnten zwanzig Jahre zusammenleben, Antiquitäten verkaufen, auf Immobilien umsatteln, ein koreanisches Kind adoptieren, ihr Testament abändern, ein Sommerhaus auf Vinalhaven kaufen, sich dutzendmal verkrachen und wieder versöhnen, mehr als einmal auf Frauen zurückkommen und als Senioren endlich zusammen die Liebe entdecken. Und sie trotzdem nicht besitzen.
Mittlerweile schien es mehr als möglich, daß Vicki aus purer Langeweile mit einem über ihr wohnenden Onkologen in dessen Jag, einem Traum von einem Flitzer, davongebraust war und in diesem Augenblick in die untergehende Sonne fuhr, auf der Ablage eine mit mai tais gefüllte Thermosflasche und Engelbert Humperdincks Stöhnen im Quadro-Sound.
Was blieb mir denn anderes übrig, als mich mit den Dingen abzufinden.
Ich fuhr zur Landstraße 1, dann nach Süden zu Mrs. Millers kleinem Backsteinhaus auf einem langen, grasbewachsenen Grundstück zwischen einer Exxon-Tankstelle und einem Rusty Jones, wo einmal ein Chiropraktiker seine Praxis hatte. Mehrere aufgemotzte alte Kisten standen in der Zufahrt, und hinter den zugezogenen Vorhängen war Licht, doch ihr Schild mit der Aufschrift Guter Rat aus Ihrer Hand war dunkel. Ich kam also auch hier zu spät, obwohl die Lichter hinter den Vorhängen auf ein geheimes, möglicherweise exotisches Treiben schließen ließen; genug, um meine Neugier zu wecken, genug auch, um die Neugier aller zu wecken, die durch die Nacht nach Süden Richtung Philadelphia fuhren und nur düstere Aussichten ins Auge fassen konnten.
Seit zwei Jahren – das erste Mal war unmittelbar, bevor X und ich geschieden wurden – komme ich nun zu Mrs. Miller, mittlerweile ein bekanntes Gesicht für all die Tanten und Onkel und Cousins und Cousinen, die in den winzigen, mit Möbeln vollgestopften Räumen herumlümmeln, sich mit unerforschlichen leisen Stimmen unterhalten und zu jeder Tages- und Nachtzeit Kaffee trinken. Wahrscheinlich, so nahm ich an, taten sie auch jetzt genau das und nichts anderes, und wenn ich reingegangen wäre, hätten sie mich bestimmt so freundlich wie einen Cousin empfangen, und ich hätte mich zu später Stunde beraten lassen und mich nach meinen Aussichten für den Rest der Woche erkundigen können. Aber ich zog es vor, ihr Privatleben zu respektieren, da ihr Arbeitsplatz zugleich ihr Zuhause ist, wie bei einem Schriftsteller.
Es ist keine komplizierte Geschichte, die mich seinerzeit zu Mrs. Miller führte. Ich war, mit Clary und Paul auf dem Rücksitz, auf der Landstraße 1 unterwegs zum Eisenwarengeschäft – wir wollten unbedingt eine Fahrradpumpe kaufen –, und ich sah das eine offene Hand darstellende
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