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Sportreporter

Sportreporter

Titel: Sportreporter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: R Ford
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hübsche Stadt, überall Bäume. Ein hübscher Park für Frühlingsnachmittage, ordentliche Professoren.«
    »Und heute fehlt dir das alles? Bestimmt fehlt es dir. Ich wette, es war die beste Zeit deines Lebens, und du wolltest, es wäre alles wieder so wie damals. Sag die Wahrheit.«
    »Nein, du irrst dich«, sage ich. Und es ist die Wahrheit. »Ich würde diesen Augenblick jetzt mit nichts tauschen.«
    »Aaach«, sagt Vicki skeptisch; dann dreht sie sich mit dem ganzen Oberkörper zu mir hin, plötzlich angespannt. »Beschwörst du das?«
    »Ich beschwöre es.«
    Sie preßt wieder die Lippen aufeinander und macht schmatzende kleine Geräusche und hält den Blick abgewandt, um besser nachdenken zu können. »Also, bei mir ist das anders. Als Antwort auf deine Frage, wo ich lieber wäre.«
    »Aha.«
    Unser Bus kommt rumpelnd vor unserem Hotel zum Stehen. Die Türen vorn gehen auf. Passagiere treten zwischen die Sitzreihen. Durch das getönte Glas hinter Vicki sehe ich die Jefferson Avenue, auf der sich graue Wagen dahinquälen, und dahinter dann Cobo, wo heute abend Paul Anka singt. Und weit weg über dem Fluß die Silhouette von Windsor – niedergeschlagen, bedrückt, rückläufig, ein erstarrtes Spiegelbild der USA. (Meine erste Tat nach Ralphs Beerdigung war, daß ich mir eine Harley-Davidson kaufte und losfuhr, immer nach Westen. Ich kam bis Buffalo und noch halb über die Peace Bridge, dann verlor ich den Mut und machte kehrt. Irgend etwas in Kanada hatte mir den Wind aus den Segeln genommen, und ich versprach, nie dorthin zurückzukehren – aber ich habe es natürlich trotzdem getan.)
    »Wenn ich mir überlege, wo ich lieber wäre«, sagt Vicki verträumt, »muß ich an meinen ersten Tag an der Krankenpflegeschule in Waco draußen denken. Wir standen in der Eingangshalle des Mädchenwohnheims alle in einer Reihe, die vom Empfangsschalter bis zum Cola-Automaten zwischen den Flügeltüren reichte. Fünfzig Mädchen. Und direkt mir gegenüber hing hinter einem kleinen Fenster das Schwarze Brett. Und ich konnte mich darin sehen. Und in weißen Buchstaben stand dort auf diesem Schwarzen Brett geschrieben: ›Wir freuen uns, daß ihr hier seid‹, und dahinter ein Ausrufezeichen. Und ich weiß noch, daß ich bei mir dachte: Du bist hier, um Menschen zu helfen, und du bist die hübscheste von allen, und du hast ein wunderbares Leben vor dir. Ich kann mich noch so deutlich daran erinnern, verstehst du? Ein ganz wunderbares Leben.« Sie schüttelt den Kopf. »Ich muß immer daran denken.« Wir sind die letzten, die jetzt noch im Bus sitzen, und andere Fahrgäste wollen zusteigen. Der Fahrer schließt die Türen des Gepäckraums, und unsere zwei Koffer stehen auf dem feuchten und belebten Gehweg. »Ich will jetzt aber kein alter Miesepeter sein.«
    »Du bist überhaupt nicht miesepetrig«, sage ich. »Nicht einen Augenblick hab ich das gedacht.«
    »Und du darfst nicht glauben, ich wäre nicht gern hier bei dir. Ich bin nämlich gern hier. Es ist der glücklichste Tag meines Lebens seit langem, weil ich das alles einfach so toll finde. Diese große Stadt. Ich finde sie einfach so toll. Ich hätte dir jetzt keine Antwort geben müssen, das ist alles. Es ist eine meiner Schwächen. Ich geb immer Antwort auf Fragen, auf die ich keine geben müßte. Es wäre oft besser, ich würde einfach drüber weggehen.«
    »Ich bin es, der gar nicht erst fragen sollte. Aber du erlaubst mir doch, daß ich dich glücklich mache, nicht wahr?« Ich sehe sie mit einem erwartungsvollen Lächeln an. Wie komme ich bloß dazu, dauernd solche Dinge wissen zu wollen? Ich bin mir selber der schlimmste Feind.
    »Ich bin glücklich. Mein Gott, ich bin richtig glücklich.« Und sie wirft mir die Arme um den Hals und weint an meiner Wange eine winzige Träne (vor Glück, möchte ich glauben), und im selben Moment schaut der Fahrer zur Tür herein und winkt uns energisch nach draußen. »Ich würde dich heiraten«, flüstert sie. »Ich wollte mich nicht darüber lustig machen, daß du mich gefragt hast. Ich würde dich jederzeit heiraten.«
    »Dann wollen wir schauen, daß wir’s in unserem Programm unterbringen«, sage ich und berühre ihre feuchte, weiche Wange, während sie mir lächelnd noch eine flüchtige Träne zeigt.
    Und dann stehen wir und sind auch schon draußen und drunten und mitten im stürmischen, nassen Detroiter Wind und auf der wuseligen Straße, wo in dem Matsch aus altem, geschmolzenem Schnee unsere Koffer stehen und wie zwei

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