Sportreporter
mit dem Lächeln einer gerade erst Bekehrten. »Und ihr genießt den Abend, okay?«
»Na klar, wer will uns bremsen«, ruft Sue noch über die Schulter zurück, und schon sind sie auf dem Weg zum Ausgang für die Crew, schnatternd wie zwei College-Mädchen, die der Hausmutter etwas vorgeschwindelt haben und die gleich von den bestaussehenden Jungs auf dem ganzen Campus in dicken Kabrios abgeholt werden.
»Waren die nicht einfach nett?« sagt Vicki und wirkt emotional losgelöst von dem ganzen geschäftigen Treiben um sie her. Für den Augenblick ist sie nachdenklich geworden, obwohl ich vermute, daß das auch mit ihrer allzu großen Erwartung zu tun hat und daß sie im Handumdrehen wieder sie selbst sein wird. Im Vorwegnehmen von Dingen ist sie ganz groß, mindestens so wie ich. »Ich hätte nicht gedacht, daß diese Mädchen so nett sind, und alles.«
»Das waren sie wirklich«, sage ich und denke dabei an all die jungen Mädchen, die in Sportstadien die Stimmung anheizen und denen Sue und Barb aufs Haar gleichen. Man bräuchte ihnen nur einen dicken Schulpullover, ein kesses Faltenröckchen und weiße Tennissocken anziehen, und mein Herz würde ihnen entgegenfliegen. »Sie waren wunderbar.«
»Wie wunderbar?« sagt Vicki und zieht mißtrauisch die Augenbrauen hoch.
»Etwa halb so wunderbar wie du.« Ich ziehe sie dicht an mich heran, eine Hand hoch unter ihrem empfindlichen Arm. Wir stehen in einer Flut eiliger Detroiter, wie ein Fels in einem Strom.
»Fliederblüten sind auch hübsch, aber sie ergeben einen häßlichen Strauch«, sagt Vicki, die Augen wissend und klein. »Du hast ein Wanderauge, Mann. Kein Wunder, daß deine Frau den Papierkram gegen dich unterschrieben hat.«
»Das ist doch Schnee von gestern«, sage ich. »Ich gehöre nur noch dir, wenn du mich willst. Wir könnten auf der Stelle heiraten.«
»Ich hatte schon mal einen für die Ewigkeit, und es war nichts«, sagt Vicki, und es klingt boshaft. »Jetzt redest du wie ein Irrer. Ich bin nur wegen der Sehenswürdigkeiten hergekommen, und die möchte ich jetzt besichtigen.« Ihr Gesicht verfinstert sich, als sei sie durcheinander, doch dann bricht wieder das strahlende Lächeln durch, und sie ist wieder obenauf. Natürlich rede ich wie ein Irrer, aber ich würde sie tatsächlich vom Fleck weg heiraten, im Büro des nicht konfessionsgebundenen Flughafengeistlichen, mit einem United-Gepäckträger als meinem Trauzeugen und Barb und Sue als kosmetologisch perfekten Brautjungfern. »Komm, Kleiner, holen wir unser Gepäck«, sagt sie, keck und unternehmungslustig geworden. »Ich will diesen großen Reifen sehen, bevor sie das Scheißding abreißen.« Sie strahlt mich an, und in ihrem Blick liegt ein verborgenes, duftendes Versprechen, ein Sex-Code, den nur Krankenschwestern kennen. Wie könnte ich nein sagen? »Mann, du hast ja auf einmal den trüben Blick«, sagt sie, bereits zehn Meter von mir weg. »Komm, gehen wir.«
Wenn du in einer anderen Stadt bist, kann alles mögliche passieren. Das hatte ich vergessen, aber wahrscheinlich kann dir das nur ein Mädchen vom Lande so richtig vor Augen führen. Ich laufe los, hole sie lachend ein und eile auf eifrigen Füßen zur Gepäckausgabe.
Detroit, die Stadt vergessener industrieller Träume, zerfließt um uns her wie ein Trugbild von irgendeinem gesunden und vereisten Leben. Der Himmel ist grau wie ein klarer Bergsee, der Wind stark und böig. Papier- und Zellophanfetzen fegen über den Ford Expressway und prasseln wie Flakfeuer gegen unseren Zubringerbus, mit dem wir uns Richtung Stadtmitte bewegen. Niedrige Häuser mit Dachgauben und neue Wohnanlagen mit gemauerten Mansarden stehen in dem komplizierten städtisch-industriellen Mischgebiet nebeneinander. Und es wird, wie immer, damit gerechnet, daß demnächst eine neue »Wetterlage« kommen wird. Macht die Luken dicht. Ein nützlicher Pessimismus macht sich hier allenthalten breit und wartet ab.
Ich habe gelesen, daß die amerikanische Zivilisation, wenn man ihr nur genügend Zeit gibt, den mittleren Westen an jedem Ort, einschließlich New York, durchsetzen wird. Und von hier aus erscheint das gar nicht schlecht. Das hier ist genau der richtige Ort für jeden, der verliebt ist; der mit Unterstützung des Staates studieren will; der eine Hypothek aufnehmen will; der ein Spiel unter Flutlicht erleben will, während das alte, düstere Tageslicht einem Blauschwarz weicht, im Hintergrund Sterne und steinerne Fassaden, während freundliche Farbige und
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