Sportreporter
Kragen offenen weißen Hemd und einer weißen, großmaschigen Strickweste. Der Typ hat dichte schwarze Augenbrauen, dunkles, welliges Haar, das nach komplizierten, aber strengen Grundsätzen arrangiert ist, schmale, zusammengekniffene Augen und ein hinterhältiges Lächeln, eingerahmt vom schmollenden, höhnischen Ausdruck einer dunklen Selbstbeglückwünschung. An einer Kette um seinen Bleistifthals hängt ein goldenes Kreuz. Es ist Everett.
Der Teppichkönig aus dem anderen großen D ist ein anzüglich grinsender, die Hüften schwenkender Salonlöwe in einem viertklassigen Motel in Vegas; er ist der Typ, der seine Zigaretten unterm Hemdsärmel aufbewahrt, der lange, dünne Arme und stahlharte Finger hat und zu dessen Grundsätzen es gehört, zu jeder Tages- und Nachtzeit billiges Bier in riesigen Mengen zu trinken. Ich würde einen solchen Mann überall erkennen. Lonesome Pines war voll von diesen Typen, aus den denkbar besten Familien und alle zu den erbärmlichsten Schlechtigkeiten fähig. Nichts könnte mich mehr enttäuschen – und bestürzen –, als sein Bild hier zu finden. Vielleicht ist er ja nur ein überheblicher, gutmütiger Bauerntrampel, und sollten wir uns je begegnen (was nicht geschehen wird), würden wir vielleicht eine vernünftige, gemeinsame Grundposition zementieren, von der aus wir ernsthaft unsere verschiedenen Ansichten über die Welt vertreten. (Tatsächlich liefert der Sport die perfekte lingua franca für solche im Krebsgang erfolgenden Annäherungsversuche von aufeinanderfolgenden Liebhabern und Ehemännern, die sonst vielleicht mit den Fäusten aufeinander losgehen würden.)
Doch in Wahrheit kümmern mich Everetts mögliche Vorzüge einen Dreck, und ich hätte gute Lust, sein Bild die Toilette runterzuspülen und möglichen Angriffen standzuhalten.
Ich nehme einen tiefen, irritierten Zug aus meiner Zigarette und versuche einen schwierigen französischen Lungenzug, den mir mal am College einer gezeigt hat. Doch der Rauch geht in die falsche Richtung, gleich in den Hals, statt zuerst in die Nase, und plötzlich packt mich eine entsetzliche Atemnot, und ich muß ein fürchterliches Würgen unterdrücken. Ich taumle ins Bad, so schnell es geht, mache die Tür zu, um mit meinem lauten, röchelnden Husten, der mir einen hochroten Kopf beschert, Vicki nicht aufzuwecken.
Im Badezimmerspiegel gleiche ich einem miesen Sexualverbrecher – die zwischen meinen Fingern herabhängende Zigarette, der mit blauen Biesen besetzte Pyjama zerknittert, mein Gesicht vom heftigen Husten noch mitgenommen, meine Augen gegen das harte Licht zusammengekniffen und schmal wie die Augen Everetts. Es ist kein erfreulicher Anblick, und ich bin alles andere als glücklich darüber, mich hier zu sehen. Ich hätte allein in die Nacht hinausgehen und etwas zum Nachdenken ausknobeln sollen. Gewisse Situationen schreiben dir vor, wie sie zum Vorteil genutzt werden sollten. Und du solltest in solchen Fällen – nein, in allen Fällen – immer der traditionellen Lehre folgen. Geh immer rauf an Deck, um die Sonne aufgehen zu sehen. Schwimm immer noch ein paar Runden, wenn deine Gastgeber spätabends zu Bett gegangen sind. Geh immer bei der Hütte deiner Freunde im Wald spazieren und suche einen neuen Weg zum Wasserfall oder eine Scheune, in der du stöbern kannst. Wenigstens ersparst du dir damit die Probleme, die sich offenbar immer ergeben, wenn du mit deiner persönlichen Neugier zu weit gehst. Ich habe nach einer totalen Enthüllung oft sofort weitergebohrt, kaum daß ich mich richtig davon distanziert hatte – ernüchterndes Zeugnis einer Selbsttäuschung, schlimmer noch, als das Bild des Hitzkopfs Everett in Vickis Brieftasche zu finden – hatte es doch, im Gegensatz zu mir, jedes Recht, dort zu sein.
Als ich aus dem Badezimmer komme, sitzt Vicki an der Frisierkommode und raucht eine ihrer Merits; sie hat den Ellbogen auf der Stuhllehne liegen, der Fernseher ist aus, und sie wirkt so fiebrig und exotisch wie ein Taxigirl. Sie trägt ein kurzes Nachthemd aus Crêpe de Chine und dazu passende Pantoletten. Es wirkt zu aufreizend und gefällt mir nicht (obschon vorstellbar ist, daß es mir früher am Abend gefallen hätte), da es aussieht wie etwas, was Everett schätzen und was er vielleicht sogar als eine letzte, duftende Erinnerung selber gekauft hat. Ich würde es keinen Augenblick dulden, wenn ich das Sagen hätte. Hab ich aber nicht.
»Ich wollte dich nicht wecken«, sage ich bedrückt, stehle mich ans Ende
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