Sportreporter
Aufwachen wiederfindet, angesichts der nächtlichen Kapriolen und der fremden, weiß zugedeckten Landschaft, die das Tageslicht ihr beschert.
»Ich liege hier vor dem Fernseher«, sagt sie mit einer munteren Stimme. »Genau, wie du’s mir auf diesem niedlichen Zettel aufgeschrieben hast. Ich hab mir schon eine Virgin Mary und einen dieser Honigkuchen aufs Zimmer schicken lassen. Im Fernsehen kommt aber noch nichts. Demnächst soll ein Film anfangen.«
»Die Sache von gestern abend tut mir leid«, sage ich leise, und meine Stimme verliert plötzlich so viele Dezibel, daß ich sie bei dem Verkehrslärm auf der Grand River Avenue selber kaum noch hören kann.
»Gestern abend, wart mal, was war denn da?« Ich höre den Fernseher und das Geräusch von Eiswürfeln in ihrem Glas. Es hat etwas Beruhigendes, und ich wollte, ich könnte dort sein und mich unter der warmen Decke an sie kuscheln und auf den Film warten.
»Ich war ziemlich daneben, aber ich werde mich bessern«, sage ich fast tonlos. Der Duft feiner Röstkartoffeln, einer Waffel, einer Portion Armer Ritter wird aus dem surrenden Ventilator zu mir herausgeblasen, und ich habe plötzlich mächtigen Hunger.
»In diesem Hotel macht es Spaß, Geld auszugeben«, sagt sie, ohne im geringsten auf mich einzugehen.
»Tu dir keinen Zwang an.«
»Ich seh gerade was richtig Gescheites im Fernsehen«, sagt sie zerstreut. »Es geht darum, daß die Regierung jede Woche fünfzehn Tonnen alte Banknoten zurücknimmt. Vor allem Eindollarscheine. Die werden am meisten strapaziert. Ein Hundertdollarschein überlebt Jahre, bloß nicht in meinem Portemonnaie, das kann ich dir sagen. Die versuchen doch tatsächlich, Dachschindeln aus dem alten Geld zu machen. Aber bis jetzt schaffen sie nur Notizblöcke.«
»Du amüsierst dich also gut?«
»Bis jetzt schon.« Sie lacht – ein glückliches, mädchenhaftes Lachen. Ich sehe, daß Mr. Smallwood mit wiegenden Schritten aus The Squatter kommt, eine kleine weiße Tüte in der riesigen Hand und einen Krapfen zwischen den Zähnen. Der Schnee ist schon am Schmelzen und wird am Straßenrand zu Matsch.
»Ich liebe dich, okay«, sage ich und fühle mich plötzlich entsetzlich schwach. Mein Herz hämmert auf sich selbst ein wie auf einen Amboß, und ein vertrautes, fiebriges Gefühl sagt mir, daß mir der nächste Atemzug einen leuchtendroten Vorhang über die Augen ziehen wird und daß ich gegen die Scheibe der Telefonzelle sinken werde, für immer. »Ich liebe dich«, höre ich mich noch einmal murmeln.
»Da hab ich nichts dagegen. Aber du bist ein Spinner, das kann ich dir sagen.« Sie ist jetzt übermütig. »Ein echter Bärenspinner. Aber ich mag dich. War es das, weshalb du hier angerufen hast?«
»Wart bloß ab, bis ich wiederkomme«, sage ich. »Ich werde dich …« Aus irgendeinem Grund bringe ich den Satz nicht zu Ende.
»Vermißt du deine Frau?« sagt sie, denkbar fröhlich.
»Bist du verrückt?« Es ist klar, daß sie nicht begriffen hat, was ich sagen will.
»O Mann. Du bist schon eine besondere Marke«, sagt sie. Ich höre Besteck klappern, sie hält den Hörer offenbar weit von sich weg. »Also, komm bald wieder, und ich seh mir inzwischen den Film an.« Klickedi-klick.
Zehn Minuten später sind wir mitten in der hügeligen Landschaft der verschneiten kleinen Farmen und ausgedehnten, von Ferienhäuschen gesäumten Seen, weit jenseits der eigentlichen Detroiter Stadtrandbezirke, in der bis nach Lansing sich erstreckenden Gegend, in der sich die aus der Großstadt fliehenden Weißen ansiedeln. Hier nun schlägt Mr. Smallwood vor, daß wir den Zähler abschalten und uns auf einen Pauschalbetrag einigen, und als ich zustimme, fängt er an zu pfeifen und gibt mir zu verstehen, er könne in der Nähe bleiben, bis ich zurückfahren wolle. Wie er mir sagt, hat er Freunde im nahe gelegenen Wixom, und wir machen aus, daß er mich um zwölf Uhr abholen soll. Ich muß kurz an einen Studienkollegen aus Wixom denken, Eddy Loukinen, und ich genieße es zu spekulieren, wo Eddy jetzt wohl sein mag – ob er ein Autohaus in seinem Heimatort besitzt oder in Royal Oak unten seine eigene Baufirma leitet. Möglicherweise hat er die Alleinvertretung für wärmedämmende Fensterrahmen oben im Norden – fährt jedes Jahr einen neuen Wagen, rechnet seine Marktanteile nach, gibt das Rauchen auf, fliegt zu den Inseln raus, hintergeht seine Frau. So sah die Zukunft aus, die wir 1967 alle vor uns hatten. Gute Möglichkeiten. Wir waren nicht alle
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