SPQR - Der Falke von Rom: Teil 1: Imperium (German Edition)
komplexer Zusammenhänge ging. Aus diesem Grund war er auch Ressortleiter für Terrorismusfragen geworden. In der Personal-STAN war er als möglicher Nachfolger für Rear-Admiral Enrico de la Vega vorgesehen, der demnächst als Stabschef des Systemkommandos auf Terra zum Drei-Sterne-Admiral befördert werden würde.
Ein Praktiker war dieser Genda jedenfalls nicht, kam Lee zu einem Urteil. Das Gespräch beginnend sagte er: „Commodore, wie lange haben Sie schon diesen Verdacht gehegt?“
„Admiral, offen gesagt seit knapp einem Jahr. Aber jedes Mal wenn wieder etwas passierte, war Rom wieder mit einem entwaffnend offenen Geständnis eigener Schwäche, einer völlig plausiblen Begründung oder sonstigen Beweisen zur Stelle. Niemals – und damit meine ich niemals – haben wir eine Spur gefunden, auf die uns Rom nicht selbst gesetzt hätte. Erst dann haben wir weitere Beweise und Fakten ausgegraben, die dann allerdings Roms Erklärungen unterstützten. Und das, Admiral, stinkt zum Himmel!“
„Und warum sind Sie nicht zu mir gekommen, Commodore?“
„Die Masse der Ereignisse spielte sich nicht in meinem Ressort ab. Wenn Rom dahintersteckt, dann geben die sich nicht mit Terrorismus zufrieden. Bestenfalls als Ablenkung. Auch Piraterie halte ich offen gestanden auch nur für einen Vorwand. Wenn, dann planen die weit Größeres, Sir!“
„Und was sollte Rom planen, Genda?“
Commodore Takashi Genda machte ein schon fast unglückliches Gesicht und fühlte sich so unwohl, wie es ihm in seiner gesamten Karriere nicht vorgekommen war. Statt einer direkten Antwort stand er auf, nahm Haltung an und fragte Lee förmlich: „Admiral, ich bitte, offen und ehrlich sprechen zu dürfen!“
Vice-Admiral Lee nickte ihm zu und sagte der Tradition folgend ernst: „Gewährt, Commodore!“ Damit konnte Genda offen, den militärischen Rangunterschied vergessend, quasi außerhalb des disziplinarischen Unterstellungsverhältnisses seine Meinung darlegen, ohne Konsequenzen zu befürchten, selbst wenn er seine Vorgesetzten persönlich angriff.
„Danke, Sir!“ Genda setzte sich erst einmal wieder und atmete tief durch. Jetzt wurde Lee erst klar, wie tief sie Gendas Meinung nach im Schlamassel steckten. Lee zwang sich zur Geduld.
„Admiral, der TSS ist schon seit Jahrzehnten eine Lachnummer. Wir sind nur aus einem Grund führend – weil wir gegenüber einem einzelnen Planeten oder System über gewaltige Ressourcen verfügen. Unsere CompTech-Ausstattung ist besser, wir bezahlen die besten Programmierer und Analytiker. Wir kaufen die beste Technik und wir heuern die fähigsten Leute an. Und hier ist das Problem. Was machen wir denn noch selbst? Entwickeln wir eigene Programme? Nur noch zu einem gewissen Teil. Im alten Amerika gab es einmal eine Institution namens NSA, die selbst technische Forschungen und Entwicklungen betrieb und so einen Vorsprung vor allen hatte und hielt, bis ihr die Mittel so drastisch gestrichen wurden, dass das nicht mehr möglich war. Danach folgte der Abstieg in die Bedeutungslosigkeit. Wir sind da nicht besser dran. Wir haben schon lange keine eigene Forschung und Entwicklung mehr. Wir bauen auch neue Navy-Schiffe, doch auf welche Pläne gehen die Entwürfe zurück? Wann gab es wirklich einen völlig neuen Entwurf? Schauen Sie einmal das Neubauprogramm für Geleiteinheiten an. Wir brauchen Geleiteinheiten? Gut! Bauen wir ein dutzend Korvetten der Fox-Klasse. Gute Schiffe. Sind schon seit knapp achtzig Jahren im Dienst und haben sich bestens bewährt!“
Genda musste Luft holen, so hatte er sich ereifert. Auf Lee machte die Rede zunehmend einen düsteren Eindruck. Beklemmend, bedrohlich und zwingend logisch. Genda warf Fragen auf, die sich jeder Flottenoffizier schon einmal gestellt hatte. Kurz, er warf der Führung Stagnation vor. Mangelnde Flexibilität und schlimmer noch – Ignoranz und Selbstgefälligkeit! Diesen Eindruck hatte auch Lee seit seinem Dienstantritt als Leiter des TSS zunehmend gewonnen. Die daraus resultierende Trägheit, teilweise schon bürokratisch verankert und reglementiert, trug das Übrige dazu bei, einen Status quo zu halten, aber bloß nichts auszubauen, was in Richtung Kreativität in der Prozessorganisation ging. Wie vielen jungen und geistig wendigen Offizieren hatte schon die rhetorische Wendung in Beurteilungen „…ist ein überaus dynamischer, junger und spontaner Offizier“ das Genick gebrochen!
Das ganze System war auf Erhalt, nicht auf Fortschritt ausgelegt. Und
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