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Sprache, Kommunikation und soziale Entwicklung

Sprache, Kommunikation und soziale Entwicklung

Titel: Sprache, Kommunikation und soziale Entwicklung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Burkhard Schneeweiß , Theodor Hellbruegge
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des eigenen Verhaltens, Einsatz von situationsadäquaten Verhaltensroutinen). Selbst Fachpersonal (z. B. in Kindergärten) kann Sprachverständnisstörungen bei einzelnen Kindern meist nicht so ohne Weiteres erkennen. Schulungen der Sensibilität des Personals für das Thema könnten sicher helfen, dass manche Kinder daraufhin einer Fachdiagnostik zugeführt würden.
Die Klippe der Einschulung
    Besonders ab den ersten Grundschuljahren versagen die »bewährten« Hilfsstrategien der Kinder aber, weil Schule ein zunehmend exaktes und im engeren Sinne linguistisches Sprachverstehen fordert, man denke an Textaufgaben und Instruktionsverständnis. Selbst dann wird die Sprachverständnisstörung der Kinder aber oft noch nicht erkannt, man ordnet die zunehmenden Probleme dann vielleicht Konzentrations- und Verhaltensaspekten zu. Die Kinder werden dann beim Kinderarzt oder beim Kinder- und Jugendpsychiater vorgestellt. Das ganze Thema ist tragisch, denn es ist bekannt, dass das Sprachverständnis im Einschulungsalter der wohl wichtigste Prognosefaktor für eintretenden oder ausbleibenden Schulerfolg ist (Beitchman & Brownlie 1996).
    Somit beantwortet sich die Frage, die da lautete »Sind Sprachverständnisstörungen schlimm?« fast schon von selbst. Sie können sehr »schlimm« sein. Sprachverständnisstörungen haben eine Vielzahl negativer Einflüsse auf die Entwicklung, welche sich im Laufe der Zeit sogar kumulieren, die Sozialisation behindern und die Perspektiven der Kinder/Jugendlichen beeinträchtigen. Konkret betrifft dies etwa die Partnerfindung, Familiensituation und die berufliche Perspektive. Sprachverständnisstörungen verquicken sich zunehmend mit den anderen Problemen, so dass sie primär immer weniger erkennbar sind.
    Bis zu welchem Alter therapeutische Beeinflussungen möglich und sinnvoll sind, lässt sich nicht exakt beantworten. Erfahrungen lassen hoffen, dass auch im Jugendalter hier noch sehr erfreuliche Verbesserungen erreichbar sind (mehr dazu unten). Voraussetzung hierfür ist entsprechende Therapiemotivation derBetroffenen. »Implizite Therapie« funktioniert in diesem Alter nicht mehr, es kommt zunehmend auf bewusste kognitive Auseinandersetzung mit dem eigenen Problem und auf das Lernen von Strategien zur Selbsthilfe an. Das Vermitteln dieser Strategien ist die Aufgabe von Sprachtherapeuten/innen mit speziellen Kenntnissen in diesem Bereich.
    Zur dritten Ausgangsfrage: Sprachverständnisgestörten Kindern die Therapie vorzuenthalten, wäre nicht nur aus ethischer Sicht bedenklich. Unter einer »gesamtwirtschaftlichen« Betrachtungsweise wäre anzumerken, dass diese Kinder dann im weiteren Verlauf verstärkt andere staatliche Unterstützungen in Anspruch nehmen müssten, wenn sie in ihrer Lebensplanung Schiffbruch erleiden. Zweifelsohne müssen aber Wirksamkeit und Effizienz der Therapie von Sprachverständnisstörungen hinterfragt, erforscht und besser als bisher dargelegt werden. Dazu unten mehr.
Das komplexe Phänomen »Sprachverständnis«
    Die menschlichen Sprachen unterscheiden sich in einem wesentlichen Merkmal von allen Tiersprachen: Sie verwenden alle das Prinzip der »doppelten Kodierung«. Wenige kleine Elemente (»Phoneme« oder Sprachlaute wie etwa /a/, /p/, /k/) werden immer wieder neu kombiniert zu Wörtern, diese zu Sätzen etc. Dadurch wird Sprache unendlich variabel und leistungsfähig. Allerdings macht die resultierende hohe Komplexität sie auch störanfällig (wenn z. B. das Unterscheiden von Wörtern wie etwa bei »Haus« und »Laus« von nur einem Phonem abhängt).
    Für »
Sprachverständnis«
gibt es eine Vielzahl von Definitionen und Beschreibungen, engere und sehr weit gefasste. Alle bestehen aus einer Menge verschiedener Subkomponenten oder Module (Kurzzeitgedächtnis, linguistisches Regelwissen, Wortverständnis …). Starke Unterschiede bestehen in der Frage, was alles zu diesen Komponenten gehört (ist z. B. »Weltwissen« ein Teilmodul der Sprachverständnisses, interagiert es nur mit diesem oder haben beide nichts miteinander zu tun?).
    Außerdem gibt es mehrere
Modellfamilien
, vor allem die beiden Gruppen »bottom up« und »top down«. »Bottom up« soll etwas popularwissenschaftlich einmal bezeichnet werden als das Modell »Schreibmaschine«: So wie in der Schreibmaschine streng sequentiell ein Buchstabe nach dem anderen getipptwird, so funktioniert danach Sprachverstehen. Laute fügen sich zu Wörtern, diese werden verstanden, wenn sie vollständig sind,

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