Sprache, Kommunikation und soziale Entwicklung
ist hier die »Triangulation«: Das Baby und die Mutter kommunizieren, sie richten ihr gemeinsames Interesse und den Blick auf einen Gegenstand, den die Bezugsperson dann auch verbal kennzeichnet. Allmählich entsteht beim Kind die Erkenntnis, dass es (relativ) feste Beziehungen zwischen bestimmten »akustischen Lautgestalten« (Wörtern) und Dingen (später auch Handlungen, Gefühlen …) gibt, die auch zeitlich stabil sind. Durch »Einkreisen« der Dinge in vielen verschiedenen Situationen und Umgebungen entstehen dann (schon vor dem ersten Geburtstag) erste Wortbedeutungen
(Wortverständnis)
für das Kind, was den Beginn von Sprachverständnis darstellt.
Um
Sätze
zu verstehen, entwickeln Kinder in einer gewissen typischen Abfolge »shortcuts« oder Strategien, die ihnen ein gewisses (oft nicht exaktes) Interpretieren gehörter Sätze ermöglichen. Diese Strategien fußen auf den jeweils bereits entwickelten sozialen und kognitiven Kompetenzen. Als eine erste dieser Strategien kann man bereits das Bewerten von Intonation und Prosodie gehörter Äußerungen bezeichnen. Interessant ist, dass Eltern dies intuitiv wissen und den Babys durch »baby talk« hier verstärkt emotionale Signale in die Sprache packen.
Eine elementare, aber wichtige
Satzverständnisstrategie
etwa ab dem ersten Lebensjahr ist die »Schlüsselwortstrategie«. Das Kind verfährt nach der Regel »Höre und verstehe ein zentrales Wort im Satz und mache Dir daraus Deine Interpretation des ganzen Satzes«. Bei vielen Sätzen geht das gut, aber nicht bei allen. Wortreihenfolgestrategie (der, der im Satz zuerst genannt wird, ist der »Agent«) und morpho-syntaktische Strategie (spätestens mit fünf Jahren) wären exemplarisch hier weiter zu nennen. Erst die morpho-syntaktische Strategie hilft, Grammatik im engeren Sinne zu verstehen durch Berücksichtigung der grammatischen Morpheme im Satz (Funktionswörter, Plural- und Kasusmarkierung, Verbflexion). Sie ist z. B. Voraussetzung für das sichere Verstehen vieler Satzgefüge.
Sprachverständnisgestörte Kinder verstehen natürlich Sprache. Sie verstehen aber nicht so wie andere Kinder. Typisch ist, dass diese Kinder bei frühen Sprachverständnisstrategien verharren und damit zunehmend Fehlinterpretationen und Überforderung ausgesetzt sind. Beispiel: Kinder folgen zu lange der (frühen) Wortreihenfolgestrategie und verstehen somit Passivsätze nicht!
Einschätzung und Diagnostik des Sprachverständnisses
Die Diagnostik von Sprachverständnisleistungen ist nicht einfach und bedarf verschiedener parallel verwendeter Vorgehensweisen. Zuallererst einmal gibt es allgemeine »Warnzeichen«, die allerdings nicht immer aussagekräftig sind. Ungenaues oder fehlendes Antworten auf Fragen, Rückzug, Desinteresse am Zuhören, voreiliges Antworten, Zuschütten des Gegenübers mit eigenem Sprechen können z. B. Hinweise auf Sprachverständnisprobleme sein, sie müssen es aber nicht.
In einer »informellen Untersuchung« muss man im Wissen um all diese Faktoren verbale Reaktionen (Antworten) des Kindes so exakt analysieren und bewerten, wie dies in einem Alltagsgespräch mit seinen typischen Unexaktheiten und Unvollständigkeiten niemals möglich wäre. Erfahrene Untersucher/innen haben hier einen Fragensatz parat, der sprachgestörte Kinder überproportional häufig »stolpern« lässt, also diagnostische Hinweise auf Sprachverständnisprobleme gibt. Ein Beispiel wäre hier die Frage nach Geschwistern, die dann gern (und falsch) von Kindern beantwortet wird mit »Nein, ich habe keine Geschwister, ich habe nur einen Bruder«. Auch der Blick in Schulzeugnisse gibt oft gute implizite diagnostische Hinweise (»Er bemühte sich, nicht immer erfolgreich, dem Unterrichtsgespräch zu folgen«).
Unabdingbar erscheint zusätzlich die Anwendung von Testverfahren. Nur dadurch kann man das Kind in eine so exakt definierte sprachliche Anforderung holen (die z. B. auch Weltwissen, Situationswissen, Erfahrungsroutine als Hilfsmittel des Kindes weitgehend ausschließt), dass man dem »echten« Sprachverstehen auf die Spur kommt. Des Weiteren geben normierte Tests altersbezogene diagnostische Beurteilungshilfen. Sprachverständnistests sollten so beschaffen sein, dass das Kind wenig expressive Sprache einsetzen muss (um diese Ebene aus der Diagnostik herauszuhalten), und sie sollten für mehrere Ebenen verfügbar sein (Wort-, Satz-, Textverständnis).
Für Sprachverständnis auf Satzebene ist inzwischen eine ganze Anzahl von
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