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Sprache, Kommunikation und soziale Entwicklung

Sprache, Kommunikation und soziale Entwicklung

Titel: Sprache, Kommunikation und soziale Entwicklung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Burkhard Schneeweiß , Theodor Hellbruegge
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Neugeborenen-Hörscreening erst Hörstörungen mit einem Hörverlust über 35 dB sicher erfasst. Eine unbehandelte MH scheint insbesondere im Schulalter nachteilig zu sein, so dass sich zwangsläufig die Frage nach der Indikation und Art einer Versorgung mit Hörhilfen ergibt.
Material und Methode
    Anhand einer Literaturrecherche wurde überprüft, welche Beeinträchtigungen beim Hören, in besonderen Hörsituationen, in den Schul-, Intelligenz- und Sprachleistungen sowie im Sozialverhalten bei MH zu erwarten sind und welche Maßnahmen zur Therapie empfohlen werden.
Ergebnisse
    Als minimale Hörstörungen (MH) werden in der Literatur folgende drei audiologischen Konstellationen zusammengefasst (Bess et al. 1998, McKay et al. 2008, McKay 2008, Ross et al. 2008, Yoshinaga-Itano et al. 2008):
Bilaterale minimale Hörverluste (BMHV) mit permanenter Hörschwelle (Luftleitung) bezogen auf 500, 1000 und 2000 Hz von durchschnittlich 20 – 40 dB,
ein- oder beidseitiger Hochfrequenzverlust (HFV) mit permanenter Hörschwelle (Luftleitung) von über 25 dB in mindestens zwei Frequenzen über 2 kHz (d. h. 3, 4, 6, 8 kHz) sowie
unilaterale Hörverluste (UHV) mit permanenter einseitiger Hörschwelle (Luftleitung) von durchschnittlich mindestens 20 dB bei 500, 1000 und 2000 Hz im betroffenen Ohr mit Normalgehör der Gegenseite.
    Die Häufigkeit uni- und bilateraler MH wird zwischen 2,4 und 5,4% angegeben (Bess et al. 1998, Wake et al. 2006). Im Neugeborenenalter betragen die Erwartungsraten für UHV 0,08% bis 0,27% und für BMHV 0,036%, jedoch werden UHV und BMHV deutlich seltener im Neugeborenen-Hörscreening identifiziert, als erwartet (Ross et al. 2008, Dalzell et al. 2000, White et al. 1994, Watkin & Baldwin 1999). Die Prävalenz von MH ist zum Schulalter hin zunehmend, u. a. durch progrediente oder late-onset-Verläufe sowie erworbene Faktoren (Ross et al. 2008). Hörverschlechterungen treten bei Kindern mit UHV zu 14 bis 32,8% auf, teilweise sogar auch auf dem zuvor gesunden Ohr (Bamiou et al. 1999, Watier-Launey et al. 1998). Ätiologisch treten bei MH zu 8% homozygote Connexin-Mutationen auf, die mithilfe von molekulargenetischen Untersuchungen aufgedeckt werden können (Cone-Wesson 2005). Die Diagnosestellung einer MH erfolgt nur in 23% der MH bis einschließlich zum 4. Lebensjahr, in 30% bis zum 5. Lebensjahr, bei den meisten jedoch erst im Schulalter (Tharpe 2008, Bovo et al. 1988). Die Diagnosestellung von UHV erfolgt im Mittel mit 8¾ bzw. 5½ Jahren (Brookhouser et al. 1991, Kiese-Himmel 2002, English & Church 1999). Da durch ein Neugeborenen-Hörscreening methodenbedingt ein großer Teil der MH nicht erfasst wird, dürfte sich das Diagnosealter für MH in Zukunft nicht wesentlich zu einem geringeren Lebensalter hin verschieben.
    Im Hinblick auf Hörbeeinträchtigungen wurden bei Kindern mit beidseitigen MH Einschränkungen des Sprachverstehens im Störschall im Vergleich zu Normalhörenden (NH) nachgewiesen, ebenso bei UHV (Crandell 1993, Tharpe 2008, Hicks & Tharpe 2002, Bess et al. 1984). Zusätzlich bestehen bei Kindern mit UHV Einschränkungen des Richtungsgehörs (Bovo et al. 1988, Bess et al. 1984, Bess et al. 1986). Ferner zeigen Kinder mit MH in Dual-Task-Aufgaben schwächere Ergebnisse als NH, so dass bei MH die Höranstrengung erhöht zu sein scheint bzw. die Kinder in schwierigen Hörsituationen schlechter kompensieren können (Hicks et al. 2002, McFadden & Pittman 2008).
    Bei Kindern mit MH ist die Anzahl an Schulklassenwiederholern mit 37% im Vergleich zur allgemeinen Wiederholungsrate deutlich erhöht. Auch bei Kindern mit UHV ist zu über 50% mit schulischen Problemen oder Verhaltensauffälligkeiten in der Schule zu rechnen (Brookhouser et al. 1991). Dagegen unterscheiden sich verbale und nonverbale Intelligenz von Kindern mit UHV nicht im Vergleich zu NH, jedoch wiesen die Kinder mit Klassenwiederholungen eine schwächere verbale Intelligenz auf (Klee & Davis-Dansky 1986). Ferner zeigten Schulkinder mit MH häufiger als normal hörende Kinder pragmatische Auffälligkeiten und Missartikulationen, ansonsten aber keine Sprachauffälligkeiten. Schließlich sind bei Kindern mit MH und mittelgradigen Hörverlusten Einschränkungen im phonologischen Kurzzeitgedächtnis von Sinnloswörtern mit zunehmender Wortlänge zu beobachten, ebenso in der Phonemdifferenzierung, ohne dass sich Einschränkungen in der Sprachentwicklung, in den Lesefertigkeiten oder im Rechtschreiben ergaben (Yoshinaga-Itano et al. 2008,

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