Sprache, Kommunikation und soziale Entwicklung
verschiedener Voraussetzungen bei der Sprachentwicklung:
Genetische Prädisposition
Psychophysische Gesundheit
Psychomotorische, kognitive Entwicklung des Kindes
Frühe Interaktion und Kommunikation
Soziokulturelle Umgebung
Sozioökonomische Verhältnisse
Diese Voraussetzungen wirken auf natürliche Weise über zwischenmenschliche Interaktion und Kommunikation oder auf organisiertem Weg mittels bewusster Förderung (Lieģeniece & Nazarova 1999). Hierbei ist ein interdisziplinäres Herangehen erforderlich. Im Mittelpunkt der Logopädie muss das Kind und nicht die Sprech- oder Sprachstörung stehen (Grohnfeldt 1997). Wichtig ist eine Lernumgebung, die der natürlichen Sprechsituation entspricht und die Sprachmotivation fördert. Weiterhin gilt es, die kommunikativen, sensomotorischen und kognitiven Fähigkeiten des Kindes anzuregen (Tomele 2010). Ein solcher ganzheitlicher Zugang bei der kindlichen Sprachanbahnung beruht auf dem Verständnis für die Notwendigkeit einer ganzheitlichen Förderung der kindlichen Persönlichkeit. Die ganzheitliche Betrachtung des Kindes geht davon aus, dass das Kind ein eigenständiges Individuum mit sehr persönlichen biologischen, psychischen und sozialen Eigenschaften ist, das bei seiner Entwicklung zu einer selbstständigen Persönlichkeit und zu einem verantwortungsbewusst tätigen Mitglied der Gesellschaft unterstützt zu werden verdient (Lieģeniece 1999). Die Logopädie ist durch diese Prinzipien einer systematischen,entwicklungsorientierten und ganzheitlichen Betrachtungsweise gekennzeichnet.
Jeder Sprachtherapeut/Logopäde muss fähig sein, das Interesse des Kindes an seiner Muttersprache zu wecken und es auch zur Überwindung seiner Sprachstörung zu motivieren. Drei wichtige Ziele einer logopädischen Behandlungsstunde sind besonders anzustreben: Entwicklungsförderung, Erziehung und Therapie. Sie greifen ineinander und ergänzen sich. Die Therapie darf nicht im Mittelpunkt stehen, sondern die individuelle Arbeits- und Kommunikationsfähigkeit des Kindes gilt es in erster Linie zu fördern (Tomele 2010). Unsere Vorgehensweise zum Erreichen dieses Zieles ist die handlungsorientierte Sprachanbahnung, Sprachförderung und Sprachtherapie (Tomele 2010). Im Folgenden sollen unsere methodologischen Prinzipien der handlungsorientierten Sprachanbahnung erläutert werden:
Ein ganzheitlicher Ansatz schließt Bereiche ein, die für eine harmonische Entwicklung des Kindes notwendig sind (neben Sprache auch Motorik, Kognition, soziale und emotionale Entwicklung)
Die phasenspezifische Entwicklung des Kindes wird im Sinne von Piaget bei jeder Sprachanbahnung berücksichtigt
Individuelle Besonderheiten werden mit dem Ziel einer kindzentrierten Sprachanbahnung beachtet
Ein natürlicher Sprachaufbau – wie bei einer Mutter-Kind-Interaktion – wird als Modell und didaktisches Instrument der Alltagssituation angepasst
Die Elternanleitung mit dem Ziel ihrer Befähigung als Co-Therapeuten steht von Beginn an im Zentrum unserer Bemühungen.
In Deutschland haben einige Autorinnen die Vorzüge einer handlungsorientierten Sprachtherapie hervorgehoben (Weigl & Reddemann-Tschaiker 2009, Eichholzer 2010). Lettische Logopäden und Sprachtherapeuten verwenden nur Elemente der handlungsorientierten Sprachtherapie. In Lettland gibt es keine Publikation zu diesem Thema. Die Autorin hat bisher als Einzige auf die Anwendung der Montessori-Pädagogik und Heilpädagogik für die Sprachanbahnung und Sprachförderung aufmerksam gemacht. Getreu Maria Montessoris pädagogischem Motto »Vom Greifen zum Begreifen« gelingt es, Kindern schwierige Aufgaben und abstrakte Begriffe gegenständlich und erlebbar zumachen. Ein weiteres zentrales Motto der Montessori-Pädagogik lautet »Hilf mir, es selbst zu tun«. Dieses Prinzip dient der Förderung des eigenen Tuns, auch im nichtsprachlichen Bereich, und damit der Eigeninitiative und Lernmotivation des Kindes.
Neben anderen Wissenschaftlern, die den Zusammenhang zwischen Denken, Handeln und Sprechen untersucht haben, hat die russische Kindersprachforscherin Mariella Kolzowa (2002) festgestellt, dass enge Beziehungen zwischen Handmotorik, alltäglichen Handlungen und Sprache bestehen. Neuerdings hat der Psychiater Joachim Bauer (2006) die Wirkung der Spiegelneuronen im Zusammenhang zwischen Handlung und Sprache mit dem Satz beschrieben: »im Gehirn befinden sich die Nervenzellnetze, die für die Sprachproduktion zuständig sind, an gleicher Stelle wie die Spiegelneuronen
Weitere Kostenlose Bücher