Sprache, Kommunikation und soziale Entwicklung
größerer Aufmerksamkeit und mit einem stärkeren positiven Affekt (Trehub 2005).
Singen und Musizieren sind nach Stadler-Elmer (2005) und Oerter (2001) Spielformen, die durch kulturelle Konventionen geregelt werden. Musikalische Aktivitäten kommen in allen Spielformen vor. Die musikalisch-lautlichen Äußerungen des sehr jungen Kindes entsprechen dem Funktionsspiel, das Entstehenspontan improvisierter Lieder dem Konstruktionsspiel. Wenn das Kind sein Spiel durch Gesang begleitet, ist die Musik Teil des gesamten Handlungszusammenhangs, die Strukturierung wird durch die Musik mitbestimmt (Oerter 2001, Oerter & Bruhn 2005).
Laut Oerter (1999, 2001) beinhaltet Spiel sowohl emotionale als auch kognitive Anteile. Er betont ausdrücklich: Wenn Musizieren als Spiel vermittelt wird, so versetzt dies das Kind in einen Zustand der intrinsischen Motivation, die musikalische Handlung wird zum Selbstzweck, es macht einfach Spaß. Im Spiel kommen häufige Wiederholungen vor, die wiederum positiv verstärkend sind und zu einer Optimierung der Handlung beitragen. Er schreibt: »Beim Musizieren steht Wiederholung als lustvoller, sich selbst verstärkender Vorgang im Vordergrund« (Oerter 2001, S. 140). Durch Musizieren erfährt das Kind eine Realitätstransformation. Auch dies ist ein Merkmal des kindlichen Spiels. Beide Male ermöglicht dies, eine emotionale Erlebniswelt zu erfahren. Laut Oerter ist diese Erlebniswelt anders als die anderen Spielformen. Aktives Musizieren ist daher für Kinder ursprünglich mit positiven Befindlichkeiten verbunden, weil diese zum Spielcharakter gehören (Oerter 2001).
Entwicklungsorientierte Musiktherapie
In der entwicklungsorientierten Musiktherapie werden Autobiographisches, familiärer Hintergrund, Emotionen, Persönlichkeitsentwicklung, aber auch spezifische körperliche oder medizinische Probleme, welche die normale Entwicklung beeinflussen, berücksichtigt und das Vorgehen den Bedürfnissen des Patienten angepasst. Die Orff-Musiktherapie gehört zu dieser Kategorie der musiktherapeutischen Ansätze (Bruscia 1998).
Bei Kindern mit Entwicklungsstörungen und Behinderungen setzen wir in der entwicklungsorientierten Musiktherapie die Musik im Rahmen einer sozialen Spielsituation ein. Wir orientieren uns am Entwicklungsstand des Kindes und wenden die Prinzipien des responsiven Verhaltens an, um diese positiven Befindlichkeiten in der Unterstützung der Entwicklung interaktiver und kommunikativer Kompetenzen des Kindes zu nutzen (Voigt 1999, 2002). Sehr wichtig in diesem Prozess sind die von Sarimski (1993, 2001) genannte Aufmerksamkeitsabstimmung und die daraus gehenden Handlungsroutinen, die auch einen kommunikativen Charakter haben können.
Beispiele aus der Praxis
Ich möchte anhand von zwei Fallbeispielen Möglichkeiten der Musiktherapie in der Förderung interaktiver und kommunikativer Kompetenzen darstellen.
Praxisbeispiel 1
Das erste Beispiel (Voigt 2002) beschreibt den Therapieverlauf mit einem Jungen mit einer diagnostizierten schwerwiegenden zentralen Bewegungsstörung, der mit 11 Monaten in die Musiktherapie überwiesen wurde. Eine Evaluation seiner kognitiven Fähigkeiten war aufgrund der schweren motorischen Störung nicht möglich. Während dieses ersten stationären Aufenthaltes beobachtete die Psychologin, dass er sich im Raum umsah, ohne seinen Blick erkennbar auf etwas zu fokussieren. Er reagierte nicht auf Ansprache, aber lachte lautlos, wenn seine Eltern lachten.
Der Junge hatte auch viele gesundheitliche Probleme, die eine intensive Pflege notwendig machten. Aus diesem Grund fand die Interaktion zwischen ihm und seinen Eltern hauptsächlich auf dieser Ebene statt. Nach ärztlicher und psychologischer Diagnostik wurde zusätzlich zur psychologischen Beratung der Eltern, zur Physiotherapie und zur Ergotherapie die Musiktherapie verordnet um 1) eine Mitdiagnostik seiner interaktiven Kompetenzen zu ermöglichen und 2) die Eltern-Kind-Interaktion zu unterstützen. Während des ersten 10-tägigen Aufenthaltes wurden 5 Musiktherapiesitzungen durchgeführt.
Die zentrale Bewegungsstörung hatte schwerwiegende Auswirkungen. Statt sich durch den Raum zu bewegen, sich hochzuziehen, Silbenketten kommunikativ einzusetzen und aktiv auf Gegenstände oder Personen zuzugehen, konnte sich das Kind kaum bewegen. Er begann gerade, sich auf die Seite zu drehen. Er gab Laute von sich und verfolgte mich scheinbar mit den Augen, sendete jedoch keine eindeutigen Signale an mich oder seinen
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