Sprechende Maenner
dem es um eine SchieÃerei, einen herausgerissenen FuÃnagel und um die Frage geht, was eigentlich männlich ist
Lieber Maxim, woher die Mode des Rasierens kommt, wolltest du ja wissen. Ob sich dahinter eine gesellschaftliche Entwicklung verbirgt. Wäre ich ein weiser Feuilletonist mit Lockenfrisur und kurzen, dünnen Beinen, würde ich sagen: Die sexuelle Sozialisierung der Jugend durch die Pornografie steckt dahinter. Ich würde sagen, dass die Sichtbarkeit des männlichen Genitales die Intimästhetik der Nullerjahre definiert, befeuert durch die Finanzkrise und den Zusammenbruch der kapitalisch-sozialen Intimästhetik, dass die Intimrasur den Ge staltungsimperativ einer neuen Körperlichkeit bildet, eine Schönheitsnorm, deren Wurzeln in der christlich-jüdisch-abendländischen Kultur liegen.
Erstaunlich finde ich, dass du Männlichkeit über Haare definierst, also Körperhaare. Du sprichst vom Verlust der Männlichkeit, als würde sie bei einer Rasur von dir abfallen und im Abfluss der Duschkabine versickern.
Warum? Was ist für dich Männlichkeit? Was war das Männlichste, was du jemals getan hast?
aw:
Lieber Jochen, du fragst, was Männlichkeit für mich ist. Gute Frage. Wahrscheinlich müsste ich das beantworten können. Frage einen Gynäkologen nach der Gynäkologie oder einen Friedensforscher nach dem Frieden, und sie werden eine Menge zu erzählen haben. Aber was wissen Männer wie ich von der Männlichkeit? Wenn ich darüber nachdenke, fallen mir nur Klischees ein. Ich denke an wortkarge Grübler, an schwitzende Muskelprotze. An Bier, an FuÃball. An derbe Sprüche und Testosteron. Und gleichzeitig wäre ich auch gern ein männlicher Mann, mit allem Drum und Dran.
re:
Mit allem Drum und Dran?
aw:
Na ja, ein männlicher Mann ist einer, der sich gut in der Natur orientieren kann. Einer, der seine Familie beschützen kann. Ein männlicher Mann hat alles im Griff. Er kann ein Auto reparieren, eine Wand mauern, eine Angelroute bauen, dreiÃig Meter weit tauchen und einen Hasen mit den bloÃen Händen fangen. Clint Eastwood ist ein sehr männlicher Mann.
Mein Vater eigentlich auch. Wenn ich als Kind mit meinem Vater in der Dämmerung durch einen Wald lief, fühlte ich mich absolut sicher. Einmal waren wir in der Schorfheide und wollten Wildschweine beobachten. Und plötzlich standen die Wildschweine um uns herum. Mein Vater flüsterte: »Mach genau das, was ich mache«, und lief laut brüllend auf die Viecher zu. Ich blieb wie angewurzelt stehen. Ich kam nicht von der Stelle. Die Wildschweine rannten weg und mein Vater lachte ihnen hinterher. Es war ein lautes, triumphierendes Lachen. Das Lachen eines Mannes.
Bis heute zögert mein Vater nicht, fremden Leuten ins Gesicht zu schlagen, wenn er in Streit gerät. Einmal hat er sich mit irgendeinem Typen auf der StraÃe angeschrien. Der andere kam ihm zu nahe, hat ihn, glaube ich, an der Schulter angefasst. Da hat mein Vater den Typen am Kragen gepackt, ihm zweimal in die Fresse gehauen, und der Typ ist weggerannt.
»Im Zweifel immer zuerst zuschlagen«, hat mein Vater mir gesagt.
Welcher Vater sagt denn heute noch so was zu seinen Kindern?
re:
Ist dein Vater ein Vorbild für dich?
aw:
Ich glaube, dass mein Vater mein Männerbild geprägt hat. Auch in anderer Hinsicht. Bei uns zu Hause hat er gekocht, abgewaschen und geputzt. Und er hat mit mir geschmust, als ich klein war. Geschmust und getobt. An meine Mutter habe ich in dieser Beziehung kaum eine Erinnerung.
Neulich sagte mein Vater, Catherine würde ihn an meine Mutter erinnern. »Du hast auch so eine Prinzessin geheiratet«, sagte er. »Der Vorteil an solchen Frauen ist, dass du dich neben ihnen sehr männlich fühlst. Der Nachteil ist, dass du immer zu tun hast.« Es kann sein, dass er recht hat. Catherine ist eine sehr weibliche Frau. Das heiÃt, sie ist schön und weich und zart. Und sie muss nicht alles selber machen. Dinge, die mit Schmutz und Kraft zu tun haben, überlässt sie mir. Sie sagt dann: »Dafür brauche ich meinen starken Mann.« Und obwohl sie mich auf unfassbar dreiste Art benutzt, finde ich es toll.
Du fragst, was das Männlichste ist, das ich je getan habe. Nun, ich habe eine zwölf Meter hohe Kiefer mit einer Axt gefällt. Und ich habe mir einen abgestorbenen Zehennagel mit einer Zange aus dem Nagelbett gerissen.
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