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Sprechende Maenner

Sprechende Maenner

Titel: Sprechende Maenner Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Maxim Leo , Jochen-Martin Gutsch
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das aufgefallen ist, aber du hast in die Beschreibung dieser Frau keine einzige zweifelnde Frage eingeflochten. Du hast keine einzige deiner üblichen relativierenden oder gar pessimistischen Reaktionen gezeigt nach dem Motto: »Na ja, mal sehen, wann die Enttäuschung kommt.« Das finde ich sehr gut, Jochen. Das spricht für die Frau – und sogar ein bisschen für dich.
    Was mir noch fehlt in deiner Erzählung, sind ein paar frauentopografische Fakten. Ein paar Basisdaten. Bauch-Brust-Beine-Po. Ich will mir etwas vorstellen, durch deine Augen sehen können, Jochen.
    aw:
    Vergiss es.
    re:
    Dachte ich mir. Klemmschwester.
    Wann willst du Anna anrufen?
    aw:
    Ich rufe Anna nicht an. Ich schreibe ihr morgen eine SMS . Dann sind zwei Tage vergangen seit dem letzten Kontakt. Drei Tage wären klassisch. Drei Tage soll man warten, um nicht gierig zu wirken. Um spannend zu bleiben. Vielleicht warte ich drei Tage.
    re:
    Ruf sie doch einfach an.
    aw:
    Ich bin kein guter Telefonierer. Ich finde eine SMS auch angemessener. Ich lasse nicht gleich ein Telefon klingeln, ich dränge der Frau nicht gleich ein Gespräch auf, vielleicht in einem unpassenden Moment. Man ruft ja immer in einem unpassenden Moment an. Das ist so eine Art Gesetz.
    Ich schreibe deshalb lieber ein paar leise Worte mit den wichtigsten Informationen. An Anna schreibe ich vielleicht: »Würde dich gerne wiedersehen. Wie wäre es Freitag? Kann aber auch Samstag. Oder Sonntag. Oder Montag. Kann eigentlich immer außer Mittwoch. Wo und was, ist mir egal.«

Tag 28
    An dem die Tagesbefehle einer Ehefrau öffentlich gemacht werden und man versteht, warum ein Ehemann im Alltag auch ohne Würde leben kann
    Lieber Maxim, ich bin noch im Café, frühstücken. Kann ein bisschen später werden. Bis gleich.
    aw:
    Schön, dass du an einem Montagmittag erst mal frühstücken gehst.
    Ich habe, falls es dich interessiert, um 6.45 gefrühstückt und um exakt 8.05 Uhr den Wocheneinkauf begonnen.
    re:
    Niemand macht an einem Montagmorgen um 8.05 Uhr den Wocheneinkauf. Nur du. Denk mal drüber nach …
    aw:
    Während du frühstückst und wahrscheinlich deine Frauengeschichten sortierst, erzähle ich dir mal ein bisschen was von der Realität. Meiner Montagmorgenrealität.
    re:
    Will ich nicht hören.
    aw:
    Realität tut dir ganz gut, mein lebensfremder Frühstücksfreund. (Und erzähle mir nicht noch mal, dass das Leben kein Wellnesshotel sei …)
    Mein Montagmorgen ist hart, Jochen. Entbehrungsreich. Ich weiß nicht, ob du schon mal an einem Montagmorgen um 8.05 Uhr in einem Supermarkt warst. Wahrscheinlich nicht, du bist ja nicht bescheuert. Ich stehe dort jede Woche, nachdem ich die Kinder zur Schule gebracht habe. Die gute Sache ist: Es ist leer. Und das ist zugleich auch die schlechte Sache. Es gibt nichts Trostloseres als die leeren, vom Neonlicht beschienenen Gänge. Sogar die Verkäufer schlafen noch um diese Zeit. Die Kundschaft besteht aus Bauarbeitern, die vorne am Backstand Frühstückspause machen und ein paar Rent nern. Jeden Montagmorgen sehe ich ein Rentnerpaar, das sich schnau fend durch die Gänge schleppt. Er trägt eine graue Bundjacke und eine Kapitänsmütze, sie eine lilafarbene Bundjacke. Heute Morgen kauften sie hundert Gramm Bierschinken, einen Pudding und eine Bild -Zeitung. Er versucht immer, mit den Verkäuferinnen ein Gespräch anzufangen, und sie sagt immer: »Nun lass mal, die haben zu tun.« Dann trotten sie weiter.
    Manchmal stelle ich mir vor, wie die beiden früher waren. Vielleicht gingen sie gern tanzen oder ins Kino. Wahrscheinlich haben sie Kinder, die schon lange aus dem Haus sind. Jetzt läuft ihr Leben langsam aus. Es kann sein, dass der Montagmorgen ihnen ein bisschen Schwung gibt, dass diese Gewohnheit sie am Leben hält. Wer weiß, wie ich mit Catherine in dreißig Jahren durch die Gegend schlurfe. Zusammen alt werden klingt schön und furchtbar zugleich.
    Der Montagmorgeneinkauf ist für mich längst Gewohnheit. Er ist ein Signal, dass wieder eine neue Woche beginnt. Ich parke das Auto hinter dem Supermarkt, nehme die vier zusammengefalteten Beutel aus dem Kofferraum, stecke den Chip in den Einkaufswagen. Und dann erst beginnt die Woche. Neulich war ich mal nicht einkaufen, weil wir noch alles hatten. Das war kein richtiger Wochenanfang. Das Seltsame an Gewohnheiten ist ja, dass man irgendwann nicht mehr auf

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