Sprechende Maenner
hinten, schieÃen. Und dann: waschen, pullern, Bett. Yes, Sir!!!«
Du bist ein groÃzügiger Mann, Maxim, mit einem gesunden Untertanengeist. Mein Vater lebt so ähnlich. Er bekommt keine Zettel. Er steht aber oft in Unterhosen und im Unterhemd vor meiner Mutter, zieht die Schultern hoch und sagt: »Jutta, was soll ich anziehen?« Meine Mutter streicht ihm dann über den Kopf wie einem jungen Hund und sagt: »Ich habe dir doch schon alles rausgelegt. Guck mal, dort auf dem Stuhl â¦Â« Und dann guckt mein Vater erleichtert, leckt meiner Mutter die Hand und läuft rüber zum Stuhl.
Als Kind hat mich das irritiert. Mein Vater war einerseits der Chef. Er konnte rufen: Ich kaufe ein Auto! Ich fälle den Pflaumenbaum! Ich baue ein Haus! Ich kaufe ein Haus! Und gleichzeitig stand er in Unter hosen vor meiner Mutter, unfähig, sich einen Pullover rauszusuchen oder ein Hemd.
Aber mein Vater ist jetzt über siebzig und wird auch nicht jede Montagnacht in den Supermarkt geschickt. Mein Vater würde aber, ähnlich wie auch du, sagen: Die wichtigen Entscheidungen treffe ich!
Das sagen eigentlich fast alle Männer. Aber ist das so? Oder ist es eine männliche Legende? Du sagst, deine Frau bestimmt den Familienplan, die Familienorganisation, die Finanzen, die freien Tage, den Urlaub, die Erziehung. Was bleibt da noch für dich übrig? Die Balkonbepflanzung?
Ich gebe zu, ein paar Zettel â das wäre auch eine Erleichterung in meinem Leben. Ich meine das rein metaphorisch. Der Zettel als Metapher für: Ich will nicht alles alleine bestimmen und entscheiden müssen, sondern nur 75 bis 80 Prozent. Im Moment sind es 100 Prozent. Ich bin Legislative, Exekutive und Judikative in einer Person. Ich muss mich auskennen mit Balkonpflanzen, Bettwäsche, Ge schirr, Reisezielen, Hosen, Friseuren, Versicherungen, Parkett wisch mittel, Mittagessen, Rollos, Mopeds, Kleiderschränken und allen anderen Dingen. Ich schreibe alle Zettel selbst. Ich schreibe mir. Ich habe nämlich auch Zettel, wenn ich einkaufen gehe, aber ohne Ausrufezeichen.
Ich sehe im Ãbrigen selten eine Frau mit einem Zettel. Immer nur Männer.
Was war zuerst da, Maxim: der Zettel oder der Mann? Gibt es alte Keilschriften, Felsmalereien mit Zettelbotschaften? »Bison jagen (!!!), Wasser holen (!), Feuer machen (!!), entlausen (!!!)«?
aw:
Lieber Jochen, zuerst der Mann, dann die Ãberforderung, dann der Zettel.
Das ist der historische Weg.
re:
Improvisierst du beim Einkauf? Weichst du mal vom Zettel ab?
aw:
Nein. Das wird bestraft. Neulich kaufte ich mal Konfitüre, obwohl Konfitüre nicht auf dem Zettel stand. Ich hatte das Gefühl: Wir könnten Konfitüre brauchen. Catherine sagte: »Wozu schreibe ich dir Zettel? Guck mich an!«
re:
Lieber Maxim, wenn Männer die Macht der Zettel nicht akzeptieren, sind sie für langjährige Beziehungen nicht geeignet, oder? Es heiÃt ja immer: Man muss miteinander reden können! Man muss gemeinsame Interessen teilen! Man muss sich respektieren! Womöglich ist das alles Mist. Womöglich sind Einkaufszettel der eigentliche Schlüssel, und du und ich, wir haben hier eine Entdeckung gemacht, die künftig in jeder Eheberatung und Paartherapie zur Sprache kommt: die Zettelkausalität.
Vielleicht wird dein Fall in die Wissenschaft eingehen, Maxim. Irgendwann werden sie dein Gehirn sezieren, so wie bei Lenin. Sie werden die Zettelfolgen untersuchen. Ich werde dann, schon sehr alt, sagen: »Sein Gehirn ist geschrumpft auf die GröÃe einer Erdnuss. Aber er hat die Zettel geliebt! Er war glücklich mit ihnen!«
Tag 29
An dem eine alte Videokassette auftaucht und der moderne Vater als Ko-Mutter enttarnt wird
Lieber Jochen, ich wollte dir von den Videos erzählen, die Catherine und ich aufgenommen haben kurz vor und nach der Geburt von Anais. Du erinnerst dich?
aw:
Nein.
re:
Doch, habe ich dir erzählt. Die Privatdokumentation über unser junges Elternglück.
aw:
Oh.
re:
Willst du das überhaupt wissen? Ich kann auch schweigen.
aw:
Nichts macht mich so glücklich wie junges Elternglück, lieber Maxim. Wenn neues Leben auf dem Acker der Menschheit gedeiht. Wenn der Hafer einer neuen Generation seine jungen, frischen Halme keck aus deutschem Mutterboden wachsen lässt. Komm, erzähl schon â¦
re:
Ich erzähle es nicht dir, du kalter, zynischer Mann. Aber der Menschheit.
Ich habe mir die
Weitere Kostenlose Bücher