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Sprechende Maenner

Sprechende Maenner

Titel: Sprechende Maenner Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Maxim Leo , Jochen-Martin Gutsch
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sie verzichten kann, egal, wie unangenehm sie sind. Man will im Rhythmus bleiben.
    Schön ist, dass es jetzt nicht mehr so dunkel ist um acht. Ich habe festgestellt, dass ich mehr Sachen einkaufe, wenn es draußen hell ist. Mein Einfluss auf den Einkauf ist allerdings begrenzt. Sehr begrenzt. Jeden Sonntagabend schreibt Catherine einen Einkaufszettel für mich. In ihrer kleinen, regelmäßigen Mädchenschrift. Catherine kennt den Supermarkt, sie weiß genau, was wo steht. Ihr Einkaufszettel ist nach Produktbereichen geordnet, er zeigt mir wie ein Navigationssystem die optimale Supermarktroute. Gemüse, Joghurt, Butter, Wurst, Käse, H-Milch, Cornflakes usw.
    Manchmal fragen mich Leute, warum ich am Montagmorgen einkaufe. Dann sage ich: Weil es praktisch ist. Stimmt ja auch. Die Reaktionen sind überwiegend positiv, weil praktisch meist akzeptiert wird. Eine Jacke kann furchtbar aussehen, aber es ist okay, wenn sie praktisch ist. Eine Mutti hat keine Frisur mehr, aber einen praktischen Schnitt. Wenn du mich fragen würdest, Jochen, wie sich mein Leben verändert hat, in den langen Jahren meiner Ehe, dann würde ich sagen, es ist sehr praktisch geworden.
    Aber du fragst mich ja gar nicht. Der feine Herr sitzt ja im Café und frühstückt.
    re:
    Dein Leben macht mich oft traurig. Und müde. Viel trauriger und müder, als es dich macht, Maxim. Supermarktroute, Zettel? Das heißt, dein Einkaufsrundgang ist genau festgeschrieben? So wie der Hofgang im Knast? Warum brauchst du überhaupt Zettel?
    aw:
    Lieber Jochen, ich bin vergesslich. Ich nehme mündlich erteilte Hinweise zur Kenntnis, aber sie versickern irgendwo in meinem Kopf. Unauffindbar.
    Deshalb bekomme ich Zettel von meiner Frau. Nicht nur am Montag. Jeden Morgen liegt ein Zettel für mich neben der Kaffeemaschine. Es sind kleine, quadratische Zettel, die man in Stapeln kaufen kann. Der Ton ist knapp gehalten, befehlsmäßig würde ich sagen. Heute Morgen stand auf meinem Zettel: »Brot kaufen (aber nicht wie letztes Mal mit Nüssen oder solchem Zeug!!!). Deine Mutter anrufen wegen deines Onkels!! Nadja von der Schule abholen und zum Klaviervorspielen bringen!!!«
    Catherine macht sehr viele Ausrufezeichen, das stört mich, habe ich ihr auch schon mal gesagt, aber es geht wohl nicht anders. Manchmal, wenn zu viele Sachen auf meinem Zettel stehen, versuche ich Prioritäten zu setzen. Ich mache dann erst mal nur die Drei-Ausrufezeichen-Sachen. So arbeite ich mich durch.
    Manchmal finde ich alte Zettel in Hosen- oder Jackentaschen. Ich halte dann einen zerknitterten Zettel in der Hand und versuche mich an den Tag zu erinnern, zu dem er gehörte. »Blumen gießen!! Zucker kaufen (den von Müller!!!). Kita-Büchse!!« Ich sollte die Zettel an eine Wand kleben, sie könnten einmal mein Leben dokumentieren. Tagesbefehle aus vier Jahrzehnten.
    Mittlerweile bin ich völlig abhängig von den Zetteln. Ich bitte sogar schon selbst darum, dass Catherine mir Zettel schreibt. Ich bin ein Zetteljunkie. Ich glaube, mein Gehirn ist mit den Jahren weiter geschrumpft. Bald brauche ich einen Zettel, auf dem mein Name steht.
    Genau so, Jochen, herrschen Ehefrauen. Sie sagen: »Klar bist du der Chef, aber vergiss deinen Zettel nicht.« Die wirkliche Macht liegt in den kleinen Dingen, in der Routine. Das nennt man dann eine »gut geölte Beziehung«.
    Vermutlich findest du das alles erniedrigend und würdelos. Du denkst: Heute kriegt er Zettel, morgen legt sie ihm die Sachen raus und wischt ihm mit dem großen Muttitaschentuch die Essensreste aus dem Gesicht. Ja, es gibt da eine gewisse Gefahr. Andererseits sind die Zettel auch praktisch. Ich muss sie nur abarbeiten, und Catherine ist mit mir zufrieden. Welchen Aufwand müsste ich betreiben, um das ohne Zettel hinzukriegen? Würde, mein lieber Jochen, ist sicher eine feine Sache. Aber man muss auch an den Alltag denken. Ehe ist hauptsächlich Alltag. Und ob ich nun mit Würde den Tisch decke oder ohne, macht keinen großen Unterschied. Ein Zettel ist letztlich nur ein Zettel. Und in den großen Fragen, da entscheide ich.
    re:
    Lieber Zettelmann, du lebst nicht zu Hause, wie ich lange dachte, sondern in einer Fünfzimmerkaserne mit Familienanschluss. »Brot ohne die schwulen Nüsse oder anderes Zeugs!! Yes, Sir!!!« Ich meine, wie läuft das beim Sex? Gibt’s da auch Zettel? »Küssen, lecken, Missionar, umdrehen, von

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