Sprengkraft
zu finden? Und wie viele Leute haben vergeblich daran gearbeitet?«
»Jammern Sie nicht, sondern bewegen Sie Ihren Arsch. Ich kenne Ihre Methoden nicht, Zander, und ich will sie auch nicht kennen. Hauptsache, Sie werden fündig. Wenn Sie, wie Sie behaupten, dicht dran sind, können wir ja noch hoffen.« Er legte die Akte zurück in die Schublade.
Wieder schellte das Telefon, dieses Mal führte Engel ein längeres Gespräch.
Danach zeigte Engel eine ernste Miene. »Der Terrorist«, sagte er. »Wir haben ihn. Sie haben hoffentlich nicht damit gerechnet, dass Abderrafi Diouri Ihnen den Maulwurf nennen würde?«
»Wieso?«
»Diouri ist tot, in einem Keller verblutet, in dem er sich offenbar verstecken wollte.«
Dann bleibt mir noch der Kurde, überlegte Zander.
Er ignorierte die ausgestreckte Hand des Kripochefs und machte sich auf den Weg.
Zander fuhr zum Reisebüro. Hiwa Kaplan war nicht da und der Chef hatte keine Ahnung, wo sich seine Aushilfskraft herumtrieb.
Zander kreuzte durch das Viertel, in dem sich Hiwa für gewöhnlich aufhielt. Er suchte einschlägige Lokale auf und quatschte Leute an. Keiner wollte den Junkie in den letzten vierundzwanzig Stunden gesehen haben.
Schließlich kehrte Zander zum Reisebüro zurück, wurde laut und drohte Hiwas Chef mit Steuerfahndung und Gewerbeaufsicht. Eine Adresse am Worringer Platz war alles, was der fette Marokkaner ihm nennen konnte.
Zander setzte sich wieder in den Wagen.
Das Haus hätte einen neuen Anstrich vertragen können. Werbezettel lagen im Hausflur verstreut, im Treppenhaus hatten sich Graffiti-Sprayer ausgetobt. Das Türschloss der Wohnung war demoliert. Zander ging hinein. Ein Geruchscocktail aus Haschisch, Müll und Pisse ließ fast sein Frühstück hochkommen. Irgendwo schnarchte jemand.
Zander schob die Hand unter seine Jacke und öffnete das Holster der Pistole, während er dem Geräusch nachging. Ein düsteres Zimmer. Nur wenige Meter vor dem Fenster ragte eine Brandmauer auf und ließ kaum Tageslicht herein. Auf einer versifften Matratze schlief ein Pärchen seinen Rausch aus, zugedeckt mit einem ausgebreiteten Schlafsack. Zander riss das Ding weg und leuchtete mit seiner Taschenlampe in erschrockene Gesichter.
Der Typ war nicht Hiwa. Es waren Junkies. Strähnige Haare, glasige Augen, schlechte Zähne. Sie behaupteten, dass sie noch nie von einem Kurden namens Hiwa Kaplan gehört hätten. Ein Unbekannter habe ihnen die Bude überlassen. Keine Ahnung, wem sie gehörte.
Zur Sicherheit stellte Zander das Drecksloch auf den Kopf – nichts, kein Hinweis auf den jungen Kurden, auf den sich inzwischen sein ganzer Zorn konzentrierte.
Zander stürzte auf die Straße und ging dazu über, sich Junkies und südländische Kiffertypen zu greifen. Er ließ sie strammstehen und filzte sie, nahm sie aus und tat ihnen weh – wie in besten Padre-Zeiten.
Er kassierte Kleingeld, Heroin-Bubbles und Spritzbestecke. Er verdrehte Arme und trat gegen Kniekehlen, bis die Dreckskerle Straßenstaub fraßen. Wer motzte, den nahm Zander erst recht in die Mangel.
Alles, was er erntete, waren Tränen, Flüche und HIV-verseuchter Rotz, den ihm die Süchtigen entgegenspuckten.
Zander ekelte sich vor sich selbst. Er war wieder ganz der Alte.
Und Hiwa, seine Hoffnung, blieb vom Erdboden verschluckt.
52.
Im Foyer des Innenministeriums verstellten Tafeln den Weg zu den Aufzügen: eine Ausstellung bunter Bildchen, ein Comic im Manga-Stil, in dessen Mittelpunkt ein Junge namens Andi stand, im beispielhaften Kampf gegen Rechtsextreme wie gegen Islamisten. Auf dem ersten Bild berührte ein orthodox verhülltes Mädchen namens Ayshe den blonden Helden verliebt am Arm und schlug dabei die Augen nieder – so also stellt sich das Ministerium interkulturelle Verständigung vor und zieht in die Schlacht um die Schulhöfe, dachte Veller.
In der Ausstellung erkannte man die Bösen auf den ersten Blick: den Mullah im langen Gewand, den jungen Fanatiker mit stechendem Blick.
Vellers Magen knurrte, als er den Aufzug nahm. Aber vor dieser Sitzung konnte er sich als Leiter der Ermittlungskommission nicht drücken. Abderrafi Diouri hatte sie ihm eingebrockt.
Zwei Sesselfurzer von der Polizeiaufsicht löcherten ihn mit Fragen zur Bewachung und zur Flucht des Marokkaners. Dass der mutmaßliche Terrorist seinen Verletzungen erlegen war, minderte die Aufregung der Ministerialbeamten nicht. Veller konnte ihre Angst vor ihren Vorgesetzten förmlich riechen –
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