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Sprengkraft

Sprengkraft

Titel: Sprengkraft Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Horst Eckert
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stellte sich Moritz vor, Carola habe vielleicht deshalb sterben müssen.

    Der Baulöwe trat ans Fenster. »Kaum ein Unternehmen von unserer Größe kann es sich noch leisten, die politische Landschaft nicht zu pflegen. Die meisten spenden der CDU oder den Liberalen. Meinetwegen auch den Sozis oder den Grünen. Aber was wollen Sie machen, wenn man Sie überall mobbt? Wenn sich auf einmal die Konzerne zusammentun, um die mittelständische Konkurrenz aus dem Weg zu räumen? Wenn alte Freunde aus dem Landtag, denen Sie jahrelang dicke Umschläge überreicht haben, Ihnen plötzlich den Rücken kehren, Hetzkampagnen gegen Sie lostreten und sämtliche Aufträge den besagten Konzernen zuschustern?«

    »Eine neue Partei ins Spiel bringen?«

    »Richtig.« Der Baulöwe hakte die Daumen in die Ärmelausschnitte seiner grauen Weste. »Die Freiheitlichen mussten nur kapieren, dass man allein mit Ausländerhetze nicht in den Landtag kommt. Und die Kurskorrektur musste rasch vollzogen werden, denn ich kann nicht bis zur übernächsten Wahl warten, wenn ich die Rezession überleben will.«

    »Ich bewundere Ihre Offenheit, Herr Bucerius.«

    »War ich jemals unehrlich zu Ihnen?«

    »Carola war hier, bevor sie verunglückt ist, stimmt’s?«

    »Woher wissen Sie das?«

    »Ich glaube, ich kenne auch den Grund, warum Carola Sie besucht hat.«

    »Es war die Bombe. Die Explosion am Vortag hatte sie zutiefst beunruhigt. Allein die Möglichkeit, dass ihr Auftritt in dieser Talkshow einen Neonazi dazu gebracht haben könnte, eine Moschee anzugreifen. Sie wusste, dass es die Islamisten selbst waren, aber sie wollte nicht einfach zur Tagesordnung übergehen. Und dann war da noch ihre Sorge, ob das Geld, mit dem ich die Freiheitlichen unterstütze, auch ordentlich versteuert worden ist.«

    »Was haben Sie ihr erzählt?«

    »Die Wahrheit.«

    »Wie hat sie reagiert?«

    »Ich denke, sie hat es verstanden.«

    Moritz schwieg.

    »Jedes Unternehmen verfügt über eine geheime Kriegskasse. Irgendwo häuft sich immer etwas an, und wenn ich es investieren will, laufe ich nicht erst mit einer Selbstanzeige zum Finanzamt. Gräfe hätte Carola gar nicht mit den Finanzen behelligen sollen.«

    »Sie sind wirklich erstaunlich offen.«

    »Weil Carola erwähnt hat, mit Ihnen über das Thema gesprochen zu haben. Und weil ich nicht möchte, dass Sie den Job hinwerfen, Herr Lemke.«

    Moritz nippte vom Sherry. Leckerer Tropfen. Er hob ihn gegen das Licht und studierte die Reflexe. »Wie oft haben Sie Carola nachgeschenkt?«

    »Sie hat ihr Glas nicht einmal angerührt. Wenn sie angetrunken war, dann ließ sie sich nichts anmerken. Herr Lemke, überlegen Sie es sich noch einmal.«

    »Die Freiheitlichen werden es auch ohne mich schaffen.«

    »Nein, wir brauchen Sie. Unser Projekt steht erst am Anfang. Wir treten jetzt in Phase zwei ein, in der wir den Wählern vermitteln müssen, dass es den Freiheitlichen mit dem neuen Kurs auch wirklich ernst ist. Dass die Partei wählbar geworden ist. Ich lege gern noch einmal tausend Euro im Monat drauf, um Sie zu halten. Weil ich nach wie vor an unser Projekt glaube.«

    Bucerius setzte sich zurück an seinen Platz und beugte sich vor. Seine Stirnglatze glänzte im Licht der Schreibtischlampe.

    Nein, befand Moritz. Dieser Mann hat keinem Killer den absurden Auftrag erteilt, Carola von der Fahrbahn zu drängen.

    »Was ist mit Ihnen, Herr Lemke?«, fragte der Unternehmer.

    »Bitte?«

    »Glauben Sie nicht auch an das Projekt, das Sie selbst mit angeschoben haben?«

    Petra oder der Job, dachte Moritz.

    Bucerius blickte ihm fest in die Augen und flüsterte fast: »Könnten Sie sich vorstellen, den freien Posten zu übernehmen?«

    »Welchen Posten?«

    »Na, den Parteivorsitz!«

57.

    Die Tatortgruppe Sprengstoff/Brand war wegen Platzmangels ausgelagert und in einem Gewerbegebiet in Heerdt untergebracht worden, das noch zu Düsseldorf gehörte, aber an der Stadtgrenze zu Neuss auf der anderen Rheinseite lag. Veller beschleunigte auf der Rheinkniebrücke, raste die A52 entlang, schaltete vor der ersten Ausfahrt zurück und nahm mit aufheulendem Motor die Kurve.

    Zweimal rechts, dann die Heerdter Landstraße entlang. Er fand die unbeschilderte Zufahrt neben einem mehrstöckigen Verwaltungsgebäude. Löchriger Asphalt, vorbei an leeren Parkplätzen und einer Reihe öder Flachbauten. Nirgendwo brannte Licht. Veller hielt vor dem letzten Gebäude.

    Drei Stufen führten zum Eingang, neben der Klingel stand

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