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Sprengkraft

Sprengkraft

Titel: Sprengkraft Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Horst Eckert
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Nimm mich zum Beispiel. Bin hier geboren, trage keinen Bart, bete nicht und trinke Alkohol. Unglaublich, oder?«

    »Das mit dem Bart sehe ich«, sagte Veller.

    »Und weißt du was?«, fuhr der Kellner unbeirrt fort. »Garantiert hört der Staat schon unser Telefon ab. Es macht ganz komische Geräusche. Mit den Juden hat es auch so angefangen. Erst kommen die Vorurteile, dann die Verfolgung.«

    Veller nahm einen Schluck und sagte: »Du hast recht. Der hier ist kräftiger.«

    »Ich quassel zu viel über Politik, was?«, fragte der Kellner.

    Eine Frau setzte sich an Vellers Tisch.

    »Hallo, Paul«, grüßte sie.

    Zu seinem Erstaunen war es Anna.

    Der Kellner zwinkerte Veller zu und raunte: »Hat also doch geklappt!« Dann wandte er sich dem Nachbartisch zu und verteilte dort Speisekarten.

    »Was hat geklappt?«, wollte Anna wissen.

    »Weiß ich auch nicht«, antwortete Veller.

    »Dombrowski meinte, du wärst hier.« Ohne zu fragen, nippte Anna von Vellers Glas, wischte sich über den Mund und sagte: »Allmählich bekomme ich auch schon fast den Tunnelblick. Aber religiöse Extremisten sind nur eine winzige Minderheit, auf die weiter kein Mensch reinfällt. Ist doch so, oder, Paul?«

    Veller ging nicht darauf ein. Er freute sich ganz einfach, dass Anna da war.

    Sie sagte: »Werden uns die Akten vom Verfassungsschutz weiterhelfen?«

    »Mal sehen«, antwortete Veller. »Hauptsache, wir stellen uns schlauer an als der Frosch im Brunnen.«

    »Der Frosch im Brunnen?«

    »Ein Gleichnis. Kennst du es nicht?«

    Anna schüttelte den Kopf.

    »Der Frosch sitzt auf dem Grund und sieht immer nur ein Segment des Himmels«, erklärte Veller. »Deshalb hält er den Brunnenrand für den Horizont und kann sich gar nicht vorstellen, dass es da noch mehr gibt als nur das eine Stückchen vom Himmel.«

    »Schöne Geschichte. Hast du noch mehr davon?«

    Mal schauen, dachte Veller.

     
    Der Kellner räumte den Vorspeisenteller ab und Veller überlegte, ob er ein zweites Glas Buzbag bestellen sollte.

    Sein Handy klingelte.

    Es war Klaus Bisping von der Tatortgruppe. Er sagte: »Wir haben gerade etwas entdeckt.«

    Veller blickte auf die Uhr. Halb neun. Der Kellner brachte das Huhn.

    »Dienstlich?«, fragte Anna.

    Veller nickte.

    »Komm rüber und schau’s dir mal an, Paul«, tönte Bispings Stimme aus dem Handy.

    »Sieht lecker aus«, sagte Anna und griff zur Gabel.

    »Ich bin in zehn Minuten da«, versprach Veller. Er sprang auf und legte dem Kellner zwei Zwanziger auf das Tablett.

    »Sorry«, sagte er zu Anna und berührte ihren Arm. »Es gibt eine neue Spur. Kann ich dich später anrufen?«

    Sie blickte ihn irritiert an.

    Veller lief hinaus und schloss seinen Wagen auf. Hastige Schritte näherten sich.

    Anna stieg auf der Beifahrerseite ein. »Glaubst du, ich lasse dich den Fall alleine lösen?«

55.

    Zander zählte die Stunden. Noch achtzehn bis zum Ablauf des beschissenen Ultimatums: morgen, Freitag, vierzehn Uhr – als hätte die Frist, die Kripochef Engel ihm gesetzt hatte, eine besondere Bedeutung.

    Er prüfte sein Handy.

    Kein Anruf in der letzten Zeit. Von seinem Informanten kein Pieps. Mierda, Padre.

    Der Gang in den Keller und der Griff in die Kiste, die Beate zum Vierzigsten geschenkt bekommen hatte, war Zander schon fast zum abendlichen Ritual geworden.

    Die dritte Flasche vom 95er Chianti Classico Riserva – Zander trug sie zu seinem Auto.

    Es war noch nicht zu spät am Abend, um Benno Grüter zu besuchen. Sein Kumpel und früherer Vorgesetzter würde wissen, was zu tun war. Zander hatte sich vorgenommen, ihm all seine Verfehlungen zu beichten. Grüter konnte den Kripochef ebenfalls nicht leiden. Es war nie falsch, Verbündete zu haben.

     
    Der Bauernhof würde mir auch gefallen, dachte Zander. Wenn er nicht so abgelegen wäre.

    Benno Grüter öffnete auf sein Klingeln. Zander streifte den Lehm von seinen Sohlen und nahm die Flasche aus der Tüte.

    »Gleicher Stoff wie neulich?«, fragte der Hausherr. »Komm rein.«

    Zander folgte ihm in das Wohnzimmer. Grüter schaltete den Fernseher aus, verschwand kurz in der Küche und kehrte mit dem Korkenzieher zurück.

    »Du hast etwas auf dem Herzen, Martin«, sagte er. »Ich seh’s dir an.«

    »Macht einfach keinen Spaß, allein zu trinken«, erwiderte Zander. »An einem Abend wie diesem ist Alleinsein besonders Scheiße.«

    »Hör auf mit dem depressiven Gequatsche. Was macht deine hübsche Mordkollegin? Wie heißt sie – Anna? Hast du

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