Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Sprengkraft

Sprengkraft

Titel: Sprengkraft Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Horst Eckert
Vom Netzwerk:
fixierte. Anna leuchtete durch das Fenster herein. Ein Martinshorn tönte ganz nah – hoffentlich der Rettungswagen.

    Zander befühlte das nasse Bein. Noch immer verlor der Junge Blut.

    Halt durch, dachte Zander.

    Schritte, Stolpern, Fluchen – die Sanitäter waren endlich da.

     
    Verzweifelte Menschen in Jogginghosen und Bademänteln liefen auf den Hof – Bewohner des Vorderhauses, an dessen Rückseite sämtliche Fenster von der Druckwelle oder umherfliegenden Metallsplittern zerstört worden waren. Frauen und Männer unterschiedlicher Herkunft und Muttersprache, die ihr Leid beklagten und die Beamten mit Fragen bestürmten. Zander drängte sie ins Treppenhaus zurück und erklärte das Areal jenseits der Hintertür für tabu. Dann holte er die Dolmetscherin aus dem Auto und versuchte mit ihrer Hilfe, brauchbare Zeugen zu finden.

    Zwei türkische Jugendliche behaupteten in höchster Erregung, Neonazis hätten den Anschlag verübt. Sie zerrten eine Frau herbei, die kaum Deutsch sprach. Weil Türkisch wiederum nicht das Metier der Dolmetscherin war, spielten die Kids die Übersetzer. Sie fielen sich ständig selbst ins Wort und es dauerte eine Weile, bis Zander verstand: Die Frau sei unmittelbar nach der Explosion einem Fremden auf der Treppe des Vorderhauses begegnet.

    Um die Umstehenden zu beruhigen, tat Zander interessiert und versuchte, eine brauchbare Beschreibung zu erfahren, doch wieder redeten alle gleichzeitig. Der Unbekannte habe dunkles Haar gehabt, sei jedoch mit Sicherheit ein Deutscher gewesen. Zander erinnerte sich an den Brand in Mainz zu Monatsbeginn. Auch dort wollten zwei Mädchen einen Deutschen beobachtet haben, doch in einer zweiten Befragung hatte sich deren Aussage als Wichtigtuerei herausgestellt. Zander warf der Dolmetscherin einen fragenden Blick zu – sie zuckte nur mit den Schultern.

    Die Uniformierten spannten rot-weißes Flatterband quer über die Einfahrt. Immer mehr Nachbarn, Schaulustige und Presseleute drängten heran, darunter zwei Fernsehteams, die sich beschwerten, weil sie von der Absperrung aus weder Leichen noch Ruinen vor ihre Linsen bekamen. Zander vertröstete sie auf die morgige Pressekonferenz. Zwar hatte noch keiner eine solche Konferenz angesetzt, doch dass es sie geben würde, war so sicher wie das Amen in der Kirche.

    Als Zander zu der Überzeugung gelangt war, dass die Anwohner nichts weiter über den Tathergang wussten, gesellte er sich zu Anna, die lebhaft in ihr Handy sprach.

    »Der Hof ist mit Nägeln übersät und im Gebäude ist alles zerfetzt. – Ja, buchstäblich zerfetzt.« Ihr Blick traf Zander. Sie beendete das Gespräch und erklärte: »Mein Freund Jonas. Er ist selbstständiger Chemiker und Sachverständiger für Brandsachen und wird gleich hier sein. Aber er meint, es sei nicht sein Metier, weil eindeutig Sprengstoff im Spiel gewesen sein muss und nicht bloß irgendein Brandbeschleuniger.« Anna begann, die Tasten ihres Mobiltelefons zu bearbeiten. »Das heißt, wir brauchen die Tatortgruppe des LKA.«

    Zander hob das Funkgerät an seine verletzte Wange und bat die Leitstelle, Ela Bach zu verständigen, die möglicherweise noch mit Benno Grüter vom KK 15 und Polizeirat Thann, dem gemeinsamen Vorgesetzten, bei der Nachbesprechung des missglückten Scheinkaufs saß. Er selbst hatte keine Lust, sie anzurufen – wegen seines Alleingangs bei den Diouris würde er sich einen Rüffel einfangen.

    Anna fragte ihn: »Tut’s arg weh?«

    Zander gefiel es, dass sie sich sorgte, doch er winkte ab. »Ein Indianer …«

    »… kennt keinen Schmerz. Ist klar, Padre.«

    Er folgte ihrem ungläubigen Blick und stellte fest, dass seine Klamotten komplett versaut waren. Nicht nur sein Gesicht schmerzte, die Splitter hatten ihn an weiteren Stellen getroffen. Doch um tiefe Wunden konnte es sich nicht handeln.

    Kein Vergleich mit dem, was den Kerlen im Anbau zugestoßen ist, dachte Zander.

     
    Der Tumult vor dem Flatterband nahm weiter zu. Anna bestätigte den Fragestellern, dass es eine Explosion gegeben habe. Die Todesopfer und den Schwerverletzten unterschlug sie – Pressearbeit war nicht ihre Baustelle. Als Fotografen und Kameraleute in das Haus drängten, um von einem der zerborstenen Treppenhausfenster aus Bilder vom Tatort zu machen, schritt Anna nicht ein. Sie werden schon keinen Schaden anrichten, dachte sie.

    Die Straße war von Streifenwagen und zivilen Autos verstopft, selbst die Feuerwehr hatte sich mit drei Einsatzfahrzeugen eingefunden.

Weitere Kostenlose Bücher