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Sprengkraft

Sprengkraft

Titel: Sprengkraft Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Horst Eckert
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Antworten«, stimmte Schulte zu. »Wann haben Sie eigentlich den Kurier verlassen?«

    »Kurz nach Ihnen.«

    »Was, wir haben Sie ziehen lassen?«, wunderte sich Hagedorn. »Welch ein Fehler! Haben Sie ein Kärtchen von sich?«

    Der Kerl erinnerte sich tatsächlich nicht mehr. In seiner Anstrengung, eine seriöse Regionalzeitung, die der Kurier einmal gewesen war, in eine hochrentable Anlage für Kapitalbesitzer umzumodeln, hatte Hagedorn offenbar zu vielen Mitarbeitern die Existenz verhagelt, als dass er sich noch an Einzelne erinnern konnte. Moritz verteilte seine neuen Visitenkarten.

    Hagedorn wühlte zum Austausch sein Stück Pappe aus dem Portemonnaie, drückte es Moritz in die Hand und erklärte: »Sollten die Freiheitlichen, was ich Ihnen wirklich nicht wünsche, wider Erwarten scheitern und Sie, Herr, äh, Lemke, sich verändern wollen, dann müssen Sie mich unbedingt anrufen. Ein Politikchef Ihres Verstandes und Formats würde meinem Blatt gut zu Gesicht stehen.«

    »Oder unserem Sender«, mischte sich Schulte ein. »Chefredakteur unserer Info-Welle, wie wär’s, Herr Lemke?« Auch der WDR-Mann gab ihm sein Kärtchen.

    Moritz steckte es ein und fragte Vogel: »Und was haben Sie für mich?«

    Die Medienbonzen lachten.

    In diesem Moment rief Gräfe: »Kommen Sie, Herr Lemke, der Hausherr will uns etwas zeigen!«

    Moritz entschuldigte sich bei seinen Gesprächspartnern und folgte dem Bundesgeschäftsführer der Freiheitlichen.

    Auf dem Flur flüsterte Gräfe ihm zu: »Machen Sie einfach nur gute Miene zum schaurigen Spiel, das jetzt kommt. Heucheln Sie Interesse, so gut es geht. Bei Gott, diese Leute haben ein Rad ab, aber sie sind steinreich und haben Verbindungen!«

     
    Dass Moritz die Luft anhielt, lag zunächst am Qualm. Max van Straelen verteilte Zigarren und erklärte, er wolle die neu installierte Brandbekämpfungsanlage testen. Auf den ersten Blick hielt Moritz den fensterlosen, achteckigen Raum für eine Art Bibliothek. Gerahmte Fotos an der Wand, alte Bücher in Schränken hinter Glas, Vitrinen unterschiedlicher Größe und ein paar bequeme Sessel.

    Moritz revidierte seinen Eindruck. Es war ein Kuriositätenkabinett. Aus einer Ecke starrte ein ausgestopfter Schäferhund herüber. Die Vitrine daneben zeigte eine kopflose Kleiderpuppe, die einen grauen Mantel mit Metallknöpfen und breiten Kragenaufschlägen trug. Eine rote Binde am linken Ärmel sprang Moritz ins Auge. Und das, was aufgedruckt war: ein Hakenkreuz – also davor hatte Gräfe ihn gewarnt.

    Daneben ein Kasten, den ein schwarzes Tuch bedeckte. Als warte das jüngste Ausstellungsstück auf seine feierliche Enthüllung.

    Offenbar hatte van Straelen Moritz’ Verunsicherung bemerkt, denn er trat neben ihn und erklärte mit seiner Baritonstimme: »Vermutlich haben Sie noch nichts von meinem kleinen Museum gehört. Aber Sie werden mir zustimmen, dass man kein Nazi sein muss, um der Geschichte Respekt zu zollen. Meine Devise lautet, dass man das Vergangene begreifen sollte, um die Zukunft zu meistern. Das hier«, er deutete auf das graue Ding mit der Armbinde, »ist Hitlers Mantel. Der Führer trug ihn am 20. Juli 1944 in der Wolfsschanze. Ein Verwundeter wurde damit bedeckt, weshalb Stauffenberg den Mann für Adolf Hitler hielt und irrtümlich seinen Mitverschwörern meldete, das Attentat sei geglückt.«

    »Hitler selbst trug diesen …«

    »Ja, sicher. Ich sammle ausschließlich Originale.«

    »Und der Hund? Ist das …«

    »Nein, das ist nicht Blondi, sondern Wolf, Blondis Sohn.« Van Straelen bückte sich und kraulte das Fell zwischen den Ohren, als lebte der Schäferhund noch. »Blondi wurde von russischen Soldaten verbrannt, wie Eva und Adolf Hitler auch. Der Führer hatte Blondi Zyankali verabreicht, quasi zu Testzwecken, bevor er und Eva selbst die Kapsel nahmen und er sich zusätzlich in die rechte Schläfe schoss. Wolf dagegen überlebte und wurde nach Moskau verbracht. Stalin erschoss ihn eigenhändig und ließ den Kadaver präparieren.«

    Hagedorn schlüpfte durch die Tür herein.

    »Kommt noch jemand?«, fragte der Hausherr.

    Hagedorn verneinte, van Straelen trat zum verhüllten Kasten und griff nach dem Stoff. »Dann wollen wir mal.«

    Ein brusthoher Sockel wurde sichtbar, auf dem eine Glashaube saß. Was sie schützte, konnte Moritz zunächst nicht erkennen.

    Ein Raunen ging durch die Versammlung. Im Schein der Deckenleuchte schimmerte eine elfenbeinfarbene Schale. Unregelmäßig geformt, zerbrochene

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