Sprengkraft
Grüter.
Zander nickte. Deshalb war er hergefahren.
»Keiner«, sagte Grüter. »Die internen Ermittler haben den gesamten Trupp aufs Korn genommen und nichts festgestellt. Allmählich bin ich der Meinung, dass es keine undichte Stelle gegeben hat. Diouri war einfach zu schlau.«
»Glaubst du wirklich?«
Sein früherer Vorgesetzter breitete die Arme aus.
»Das heißt, ich war zu doof«, folgerte Zander.
»Unsinn, Martin. Bist ein klasse Ermittler, und das weißt du genau. Hast Erfahrung und kennst die Stadt wie kein anderer. Du lässt dir von niemandem etwas vormachen.«
»Bis zu Ela Bach hat sich das noch nicht herumgesprochen.«
»Solltest vielleicht deine Methoden anpassen. Das KK 11 ist nicht der Einsatztrupp.«
»Das hat meine neue Partnerin auch gesagt.«
»Hübsches Ding. Wie ist sie so?«
»Hör auf, Benno. Ich könnte ihr Vater sein.«
»Hast du nach dem Tod von Beate nie daran gedacht, dich mal wieder mit einer Frau zusammenzutun?«
»Benno, jetzt reicht’s. Ich bin zu alt, um mir auf diesem Gebiet Ratschläge erteilen zu lassen.«
Zanders Handy vibrierte und gab einen kurzen Laut von sich. Er holte es hervor. Neue Nachricht.
Er las die SMS: Ela Bach teilte ihm mit, dass er sich morgen früh beim Landeskriminalamt einfinden solle, um gemeinsam mit Anna Winkler die Ermittlungskommission zu verstärken, die ein gewisser Paul Veller leite.
Kein weiterer Kommentar.
Zanders Magen zog sich zusammen. Es genügte, die Zeilen der Zicke und ihren Namen zu lesen.
»Kennst du einen Paul Veller beim LKA?«, fragte Zander.
»Flüchtig, von einer Fortbildung. So ein Sportwagentyp, wenn du verstehst, was ich meine. Wieso fragst du?«
Zander hielt das Handy hoch. »Ich soll an der Bombensache mitarbeiten.«
»Hey, zusammen mit der hübschen Anna. Gratuliere!« Grüter grinste und unternahm einen zweiten Anlauf, die Gläser zu füllen.
Dieses Mal gab Zander nach.
35.
»Wir sind nicht islamfeindlich«, erklärte Moritz zum Schluss seiner improvisierten Rede und stellte fest, dass es keinen im Raum gab, der ihm nicht gebannt zuhörte. »Aber wir wehren uns dagegen, dass die Angst vor der Islamisierung Europas zum Tabu erklärt wird. Nach einer Studie des Hamburger Rothenbaum-Instituts sind sechzig Prozent der Bevölkerung der Ansicht, muslimische Kultur und westliche Gesellschaft passten nicht zusammen. Wir sind die einzige Partei, die diese Sorgen ernst nimmt und ausspricht. Wo kämen wir hin, wenn Kritik am Islam in diesem Land nicht mehr erlaubt wäre!«
Der Applaus war kurz, aber heftig. Ich kann es tatsächlich, staunte Moritz.
Der Hausherr legte den Arm um ihn, ein Blitzlicht flammte auf.
»Für unser Gästebuch«, erklärte Gundula van Straelen, prüfte auf dem Display ihrer Kamera, ob das Foto gelungen war, und zeigte es den beiden Abgelichteten.
»Max und Moritz«, bemerkte ihr Mann gut gelaunt.
Parteigeschäftsführer Gräfe verteilte Mappen mit Bettelbroschüren, Werbekugelschreibern und Überweisungsformularen. Im Vorbeigehen zeigte er Moritz den erhobenen Daumen.
Die Gäste diskutierten, was Moritz gefordert hatte: Zuzugsstopp für Muslime, Internierung aller Verdachtspersonen, Einschränkung von Freiheitsrechten zugunsten der Sicherheit – denn der Schutz von Leben und Unversehrtheit war die Grundlage jeder Freiheit.
»Gestern noch hätte ich mich gegen all das gewehrt«, vernahm Moritz eine Stimme, die er kannte: Gerhard Schulte, sein früherer Chef beim Kölner Kurier, der als Programmdirektor Hörfunk zum WDR gewechselt war.
»Achtundsechzigersozialisation. Bin ich gottlob frei davon«, antwortete ein Mann, der mit Oberlippenbart und Bürstenschnitt aussah wie ein Polizeibeamter vergangener Zeiten: Gernot Hagedorn, Schultes Nachfolger beim Kurier – Moritz verband ungute Erinnerungen mit diesem Mann.
Dritter im Bunde war Alex Vogel vom Blitz. Geballte rheinische Medienmacht, dachte Moritz und schüttelte Hände. Hagedorns Pranke zu greifen, kostete ihn Überwindung. Der Kurier -Chef tat, als erinnerte er sich nicht daran, Moritz gefeuert zu haben.
»Welch ein Zusammentreffen publizistischen Geistes«, schmeichelte Moritz und wandte sich an Schulte, den WDR-Programmdirektor. »Mir geht es übrigens ganz genauso. Früher haben wir mit Leidenschaft gegen jeden Anschein rechtspopulistischer Tendenzen gewettert, doch heute wissen wir, dass es die liberalen Gutmenschen sind, die einem historischen Irrtum aufsitzen.«
»Neue Probleme, neue
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