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Sprengstoff

Sprengstoff

Titel: Sprengstoff Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stephen King
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warmen Juninacht in ihrer kleinen Wohnung im dritten Stock eines Altbaus ohne Fahrstuhl. »Ich mag nicht bei anderen Leuten schmarotzen, Bart. Und ich werde es nicht mehr tun. Nie wieder.«
    Gut anderthalb Wochen hatte er sich Marys schrullige Idee durch den Kopf gehen lassen und sich gefragt, wie, zum Teufel, er seine Hälfte der siebenhundertfünfzig Dollar verdienen sollte (vermutlich sogar dreiviertel der Summe, wie er die Sache einschätzte), was er also während der nächsten zwanzig Wochenenden tun sollte. Er war ein bißchen zu alt dafür, in der Nachbarschaft für einen Vierteldollar den Rasen zu mähen. Und Mary hatte in letzter Zeit so einen bestimmten Blick - sie hatte sich sicher schon eine Arbeit besorgt oder war zumindest schon eifrig auf der Suche. Nimm lieber die Beine unter den Arm, Bart, hatte er zu sich gesagt und lauthals über sich selbst gelacht.
    Das waren schöne Zeiten, nicht wahr, Fred? fragte er nun, während Forrest Tucker und die F Troop der Werbung wichen. Eine Cornflakes-Reklame, in der ein fröhlicher Hase allen Kindern predigte, daß diese Produkte nur für sie geschaffen seien. Das war es, George. Es waren verdammt schöne Zeiten.
    Eines Tages, während er nach der Arbeit gerade seinen Wagen aufschließen wollte, fiel sein Blick auf den großen Fabrikschlot hinter der chemischen Reinigung, und da kam ihm die Idee.
    Er steckte die Wagenschlüssel in die Tasche und ging noch einmal zurück, um mit Don Tarkington darüber zu reden.
    Don lehnte sich in seinem Stuhl zurück, musterte ihn unter seinen buschigen Augenbrauen, die damals schon weiß wurden (genau wie die Härchen, die in Büscheln aus seinen Ohren wuchsen und aus seinen Nasenlöchern hervorlugten) und verschränkte die Arme vor der Brust.
    »Den Schornstein streichen«, sagte Don.
    Er nickte.
    »An den Wochenenden?«
    Er nickte wieder.
    »Paulschalpreis - dreihundert Dollar.«
    Und wieder nickte er.
    »Du bist verrückt.«
    Er lachte lauthals.
    Don lächelte sanft. »Nimmst du vielleicht Drogen, Bart?«
    »Nein«, antwortete er. »Ich habe eine kleine Abmachung mit Mary.«
    »Eine Wette?« Die buschigen Augenbrauen zogen sich in die Höhe.
    »Ein bißchen eleganter als das. Sagen wir einfach, es ist eine Abmachung. Wie dem auch sei, Don, der Schornstein braucht Farbe, und ich brauche dreihundert Dollar. Was hältst du davon? Wenn du eine Firma engagierst, mußt du vierhundertfünfzig Dollar hinblättern.«
    »Das hast du nachgeprüft?«
    »Das habe ich nachgeprüft.«
    »Du verrückter Kerl«, sagte Don und mußte nun auch herzlich lachen. »Du wirst dir den Hals dabei brechen.«
    »Ja, das kann passieren«, antwortete er ebenfalls lachend (und heute, achtzehn Jahre danach, saß er vor seinem Fernseher, sah, wie der Werbehase den Nachrichten wich, und grinste wie ein Narr).
    Und so kam es, daß er sich am Wochenende nach dem vierten Juli in zwanzig Meter Höhe mit einem Pinsel in der Hand und dem Hintern frei in der Luft hängend auf einem wackeligen Gerüst wiederfand. An einem Sonnabend nachmittag hatte dann ganz plötzlich ein Gewissersturm eingesetzt und mühelos, als handelte es sich um den Bindfaden einer Geschenkpackung, eins der Haltetaue gekappt. Fast wäre er abgestürzt, aber das Sicherheitsseil, das er sich um die Hüfte gebunden hatte, hatte ihn gehalten, und er hatte sich damit vorsichtig aufs Dach hinuntergleiten lassen. Sein Herz hatte geschlagen wie eine Trommel, und es war für ihn abgemacht, daß er nie wieder da hinaufklettern würde. Schon gar nicht für so einen lumpigen Fernseher. Aber er war wieder hinaufgestiegen. Nicht wegen des Fernsehers, sondern wegen Mary. Wegen des weichen Lampenlichtes auf ihren kleinen, aufwärts gebogenen Brüsten; wegen des herausfordernden Lächelns auf ihren Lippen und in ihren Augen - diesen dunklen Augen, die sich manchmal so wundervoll erhellten, die manchmal aber auch so dunkel wirkten wie der sommerliche Himmel vor einem Gewittersturm.
    Anfang September war er mit seiner Arbeit fertig. Der Schornstein hob sich strahlend weiß vor dem blauen Himmel ab, ein Kreidestrich auf einer blauen Tafel, schlank und schön. Stolz betrachtete er sein Werk, als er sich die farbverschmierten Hände und Vorderarme mit Terpentin abschrubbte. Don Tarkington bezahlte ihn mit einem Scheck.
    »Keine schlechte Arbeit«, war sein einziger Kommentar, »wenn man bedenkt, welcher Stümper sie ausgeführt hat.«
    Er verdiente,sich weitere fünfzig Dollar, indem er Henry Chalmers Wohnzimmer

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