Sprengstoff
Bang!« Er schwieg und blickte hilflos zum Eingang der Wäscherei zurück, aber da stand niemand. »Die Bullen haben gesagt, Johnny ginge es sehr schlecht.«
»Heiliger Bimbam.«
»Ich bin zwanzig Minuten, nachdem es passiert war, rausgefahren. Du kennst die Kreuzung ja …«
»Ja, sie ist ziemlich gemein.«
Tom schüttelte den Kopf. »Wenn es nicht so verdammt schrecklich wäre, könnte man fast darüber lachen. Sieht aus, als hätte bei einer Waschfrau eine Bombe eingeschlagen.
Überall liegen Handtücher und Bettwäsche vom Holiday Inn rum. Einige Leute haben sich gleich welche gestohlen, diese Arschlöcher. Man möchte kaum glauben, daß die Leute so was tun. Und der Lieferwagen … Bart, von der Fahrertür an ist nicht mehr viel von ihm übrig. Alles schrottreif. Johnny wurde rausgeschleudert.«
»Ist er im Zentralkrankenhaus?«
»Nein, im St. Mary’s. Johnny ist katholisch, wußtest du das nicht?«
»Willst du mit mir rüberfahren?«
»Lieber nicht. Ron brüllt schon den ganzen Morgen, daß der Boiler nicht genug Druck hat.« Er zuckte verlegen die Achseln. »Du kennst Ron ja. Die Show muß weitergehen.«
»Schon in Ordnung.«
Er stieg wieder in seinen Wagen und fuhr zum St. Marys-Krankenhaus. Verdammt noch mal, warum mußte das von allen Leuten auf der Welt ausgerechnet Johnny Walker passieren? Außer ihm war er der einzige, der schon seit 1953 in der Wäscherei arbeitete - Johnny hatte sogar schon 1946 dort angefangen. Der Gedanke schnürte ihm die Kehle zu. Es kam ihm vor wie ein schlimmes Omen. Aus der Zeitung wußte er, daß der Ausbau der 784-Autobahn gerade die gefährliche Deakman-Kreuzung ziemlich überflüssig machen würde.
Er hieß eigentlich gar nicht Johnny. Sein richtiger Name lautete Corey Everett Walker, er hatte ihn oft genug auf den Stechkarten gelesen, um das zu wissen. Aber schon seit zwanzig Jahren nannten sie ihn alle Johnny. Seine Frau war 1956 auf einer Reise nach Vermont gestorben. Seitdem lebte er mit seinem Bruder zusammen, der einen Lastwagen für die städtische Müllabfuhr fuhr. In der Wäscherei gab es Dutzende von Mitarbeitern, die Ron hinter seinem Rücken ›Stoneballs‹ [ Schnapsnase. - Anm. d. Übers.] nannten, aber Johnny war der einzige, der es gewagt hatte, es ihm offen ins Gesicht zu sagen, und es war ihm nichts passiert.
Er dachte: Wenn Johnny stirbt, dann bin ich der dienstälteste Mitarbeiter in der Wäscherei. Der einzige, der den Rekord von über zwanzig Jahren gebrochen hat. Na, ist das nicht ein Witz, Freddy?
Freddy fand das gar nicht lustig.
Im Wartezimmer der Unfallstation saß Johnnys Bruder, ein großgewachsener Mann, dessen Gesichtszüge Ähnlichkeit mit Johnny hatten. Sie hatten die gleichen hohen Wangenknochen. Er trug einen olivgrünen Overall und darüber eine dicke schwarze Stoffjacke. In den Händen, die hilflos zwischen seinen Knien hingen, drehte er eine olivgrüne Schirmmütze hin und her. Er blickte vor sich auf den Boden, aber als er Schritte hörte, sah er neugierig auf.
»Sind Sie von der Wäscherei?« fragte er.
»Ja. Und Sie sind …« Er hatte nicht erwartet, daß ihm der Name wieder einfallen würde, doch er erinnerte sich.
»Arnie Walker, nicht wahr?«
»Ja, Arnie Walker.« Er schüttelte langsam den Kopf. »Ich weiß nicht, Mr. …?«
»Dawes.«
»Ich weiß nicht, Mr. Dawes, ich hab’ ihn vorhin in einem der Untersuchungsräume gesehen. Er sah ziemlich angeschlagen aus. Er ist ja auch nicht mehr der jüngste. Es steht ziemlich schlimm.«
»Es tut mir sehr, sehr leid«, sagte er.
»Es ist eine schreckliche Kreuzung. Aber ich gebe dem anderen keine Schuld. Er ist einfach im Schnee ins Schleudern gekommen. Es war nicht sein Fehler. Sie sagen, daß er sich die Nase gebrochen hat, sonst nichts. Es ist schon komisch, wie solche Dinge laufen, wissen Sie?«
»Ja, ich weiß.«
»Ich mußte gerade daran denken, wie ich mal einen großen Sattelschlepper nach Hemingway gefahren habe. Das war Anfang der sechziger Jahre. Ich fuhr auf der Indiana-Autobahn, und da sah ich …«
Die Außentür wurde aufgestoßen, und ein Priester kam herein. Er stampfte ein paarmal mit den Füßen auf, um den Schnee abzutreten, und eilte dann den Korridor entlang, er rannte fast. Als Arnie Walker ihn sah, weiteten sich seine Augen und nahmen einen glasigen Ausdruck an, als hätte er einen Schock erlitten. Er stieß einen hohen, wimmernden Ton aus und wollte aufstehen. Er legte seinen Arm um Arnies Schultern und wollte ihn auf den Stuhl
Weitere Kostenlose Bücher