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Spring in den Himmel

Spring in den Himmel

Titel: Spring in den Himmel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lotte Kinskofer
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da bin?«
    »Entschuldige, das war nicht so gemeint, aber …«
    Warum fing sie an, sich zu rechtfertigen? Sie verhedderte sich in ihren Erklärungen, biss sich auf die Lippen. Sie freute sich doch, Alexander zu sehen. Was musste er jetzt denken … So blöd konnte doch nur sie sein!
    »Ich hatte gerade Zeit und Lust, mal vorbeizuschauen«, erklärte Alexander.
    Aus dem Wohnzimmer waren leise Schnarchgeräusche zu hören.
    Jamina lächelte. »Heute spielen wir offenbar nicht Skat.«
    »Bist du sehr traurig?«
    »Ich werde es verkraften.«
    Auf dem Tisch standen noch die Reste des Mittagessens. Alexander trug das Geschirr zur Spüle. Jamina wollte beim Abwasch helfen, doch er winkte ab.
    »Setz dich, ich mach das schon.«
    Jamina bemerkte den Gitarrenkoffer in der Ecke.
    »Weißt du noch, wie du mir früher manchmal was vorgespielt hast?«
    Alexander verzog das Gesicht zu einer Grimasse: »Hab ich nicht auch gesungen?«
    »Genau! So Lieder von Abenteuer und Freiheit. Und Blues. Sehr traurig.«
    »Da wollten wir ja auch noch nach New Orleans auswandern.«
    »Ich habe mir eine kleine Farm gewünscht.«
    »Und ich wollte Musiker werden.«
    Sie sahen sich an und schmunzelten.
    »Spielst du mir wieder was vor?«
    »Nur, wenn ich nicht singen muss.«
    Alexander holte einen Schemel, öffnete den Gitarrenkoffer, nahm das Instrument heraus und setzte sich. Er stellte den linken Fuß auf den Schemel und nahm die Haltung zum Spielen an.
    Kurz grinste er, dann schlug er einen schrägen Akkord an. »Woke up this morning …« und schon war er drin im Blues.
    Jamina lachte. »Jetzt singst du ja doch!«
    »In Erinnerung an alte Zeiten.«
    Von einer Sekunde auf die andere brach Alexander ab und wurde ernster.
    »Ein Menuett von Bach«, sagte er und begann zu spielen.
    Jamina konnte kaum zuhören. Sie war fasziniert von der Konzentration auf seinem Gesicht, von den leicht gesenkten Lidern, der Anspannung, der eleganten Haltung. Nie war ihr aufgefallen, wie gut Alexander aussah. Sie hatte auch keine Ahnung, dass er inzwischen so toll klassische Gitarre spielte. Sie hatte gedacht, er würde ein paar Akkorde schrubben.
    Es war, als würde sie ihn zum ersten Mal sehen. Oder neu sehen. Ein anderer Alexander.
    Das Stück war zu Ende, Jamina fiel es gar nicht auf. Sie sah auf Alexanders Hand, die die Saite abdämpfte, der Ton verstummte.
    Es war still im Raum.
    »Ist alles okay?«, fragte Alexander leise. Nur langsam fand Jamina in die Wirklichkeit zurück.
    »Es ist so schön …«
    »Das hab ich schon besser gespielt.«
    »Aber nicht für mich.«
    »Ich kann dir zeigen, wie es geht.«
    »Das ist viel zu schwer für mich.«
    »Quatsch, du bekommst einen guten Lehrer!«
    »Aber ich habe gar kein Instrument!«
    »Ich lasse sie dir da. Ich hab noch eine zu Hause.«
    Jamina wollte abwehren, aber Alexander grinste. »Und die andere ist viel besser.«
    Sie streckte die Hand aus, nahm die Gitarre, legte sie auf ihre Beine, zupfte eine Saite an. Alexander setzte sich neben sie.
    »Du musst den linken Arm so …«
    Er nahm ihren Arm, als würde er eine Skulptur modellieren.
    »Und die rechte Hand so …«
    Er nahm ihre Hand, legte sie auf die Saiten, ließ sie aber nicht mehr los und sah zu ihr hoch.
    Wieder dieses Schweigen. Dieser forschende Blick. Jamina wollte fast ihre Hand zurückziehen.
    »Du siehst anders aus«, sagte er.
    Merkwürdig, hatte sie nicht gerade noch dasselbe über ihn gedacht?
    »Ich bin wie immer.«
    Alexander schüttelte den Kopf, versuchte es mit einem Witz.
    »Lass mich raten: Du hast entweder eine Bank überfallen oder ein Auto geklaut …«
    »Du weißt genau, dass ich so was nie tun würde.«
    »Du bist durch die Isar geschwommen.«
    »Viel zu gefährlich und viel zu kalt!«
    »Ein Ballonflug über München?«
    »Flug ist schon gar nicht schlecht …«
    »Los, sag's mir.«
    »Bungee-Jumping.«
    Schweigen. Fassungsloser Blick. Dann lachte Alexander. »Du kannst ja richtig flunkern!«
    »Nein, es ist wahr, echt.«
    »Erzähl.«
    Fasziniert hörte Alexander sich ihren Bericht an. Er wollte jede Einzelheit wissen, alles ganz genau. Er fragte nach dem Ablauf, aber auch nach ihren Gefühlen. Wie war es, als sie hochfuhren, als sie oben standen. Was hat sie gesehen, was hat sie sich gedacht, was hat sie empfunden?
    »Ist es nicht komisch, so … zu zweit?«
    Jamina wusste genau, was er meinte. Sie zuckte die Schultern. Unschlüssig, was sie darauf antworten sollte.
    »Würdest du das auch mit mir machen?«
    Alexander legte

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