Spritzenmäßig: Kurioses, Krasses und Komisches aus der Notaufnahme
oder wie?«, stöhnte Rocco S.
Ich warf ihm einen bedauernden Blick zu. Meine Sympathie für Berufsverbrecher hielt sich normalerweise zwar in Grenzen, allerdings wusste ich ja nicht, warum Rocco S. zum Einbrecher geworden war. Für gewöhnlich steckt eine persönliche Tragödie hinter solch einer kriminellen Laufbahn.
»Vielleicht ist es jetzt Zeit für einen Neuanfang«, sagte ich deshalb. »Vielleicht kriegen Sie ja Bewährung und können den ganzen Mist hinter sich lassen.«
»Das wäre schön«, seufzte Rocco S., und ich drückte ihm beide Daumen, dass er es schaffen würde.
***
Nicht nur bei der Einschätzung ihres Leidens liegen manche Patienten ganz schön daneben, nein, auch wofür ein Krankenhaus überhaupt da ist, wird manchmal recht eigenwillig interpretiert.
Wie schon erwähnt, ist Dr. Claas H. ein Baum von einem Mann. Der Chirurg ist über 1,90 Meter groà und hat so breite Schultern wie ein Profischwimmer. Er spricht mit tiefer Stimme und vermittelt den Eindruck, als könne ihn nichts erschüttern.
Dieser Eindruck täuscht.
»Schwester Anna«, sagte er irgendwann zu mir. »Das klingt jetzt vielleicht ein bisschen doof, aber ich glaube, da unten ist was.«
Versunken in meinen medizinischen Alltag missverstand ich ihn leider.
»Dann wenden Sie sich besser an unseren Urologen, der versteht mehr davon«, antwortete ich gedankenverloren.
»Um Himmels willen, nein«, entgegnete Dr. H. entsetzt. »Ich meine im Keller. Unten im Keller ist irgendwas.«
»Oh. Verstehe. Und was soll da unten sein?«
»Keine Ahnung. Aber immer, wenn ich ins Archiv muss, höre ich da unten so merkwürdige Geräusche. Vielleicht können Sie mal nach dem Rechten sehen? Danke.«
Mit diesen Worten ging unser hochgewachsener und kräftiger Chirurg wieder an die Arbeit. Erstaunt sah ich ihm nach.
Ich bin zwar wahrlich kein ängstlicher Typ, aber natürlich war ich nicht unbedingt scharf darauf, im dunklen Untergeschoss nach komischen Geräuschen zu suchen. Und es überraschte mich schon sehr, dass dieser Kerl sich nicht selbst traute, der Sache auf den Grund zu gehen und stattdessen eine Krankenschwester schickte.
Aber: Selbst ist die Frau, und da gerade keine Patienten zu versorgen waren, machte ich mich seufzend auf den Weg.
Unser Krankenhaus ist groÃ, sehr groà sogar. Es gibt verschiedene Treppenhäuser, doch nur von einem hat man Zugang zum Untergeschoss. Hier befindet sich neben dem Archiv noch die Bettenaufbereitungsstelle, in der sowohl die schmutzige Bettwäsche als auch die benutzten Betten gereinigt und desinfiziert werden.
Mit einem unguten Gefühl in der Magengegend betrat ich das Untergeschoss. Passenderweise flackerte auch noch die Neonröhre an der Decke, sodass ich mir fast wie in einem Horrorfilm vorkam und kurz davor war, ein munteres Liedchen anzustimmen, um mir etwas Mut zu machen.
Ich musste über mich selbst den Kopf schütteln.
»Du bist im Keller eines Krankenhauses«, sagte ich leise zu mir selbst. »Nicht in einer Vampirgruft.«
Just in diesem Augenblick hörte ich es.
Was war das? Es klang wie ein Krächzen oder Schnaufen â war das ein Tier? Vielleicht ein Igel oder ein Marder?
»Chr, chr, chr, puuuuh â¦Â«
Aber was für ein Tier sollte solche Geräusche von sich geben? Ich hielt den Atem an und lauschte noch einmal.
Nein, das war kein Tier. Das war ⦠ja, da schnarchte doch jemand! Das war eindeutig menschliches Schnarchen! Wo kam das bloà her? Und wer zur Hölle schnarchte hier unten im Keller vor sich hin? Ein verwirrter Patient, der sich verlaufen hatte?
Ich versuchte, die Richtung auszumachen, aus der das Schnarchen kam. Nach wenigen Minuten wurde ich fündig.
Unter dem letzten Treppenabsatz hatte es sich ein Obdachloser gemütlich gemacht. Der gute Mann hatte schmutzige Bettwäsche aus der Bettenaufbereitungsstation gemopst und sich damit ein mehr oder weniger gemütliches Lager hergerichtet â besonders angesichts der Flecken auf der Wäsche hielt sich der Gemütlichkeitsfaktor meiner Meinung nach in Grenzen, was dem Mann aber offensichtlich egal war. Er hatte sich mehrere Decken, Kissen und Laken geholt, mit denen er den Boden ausgepolstert und sich zugedeckt hatte.
Ich konnte verstehen, dass er es unter unserem Treppenabsatz angenehmer fand als drauÃen auf der StraÃe, doch mir blieb leider
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