Spritzenmäßig: Kurioses, Krasses und Komisches aus der Notaufnahme
doch nicht alleine durch! Du bleibst schön da im Flur stehen!«
Ãchzend lieà sich ihr Bruder drauÃen im Gang auf einen Stuhl sinken, und ich hörte, wie er tief ein- und ausatmete.
Endlich hatte ich die Patientin so weit von ihrem Blut befreit, dass Dr. H. mit seiner Arbeit beginnen konnte. Mit einem SchweiÃgerät mussten die Arterien verödet werden, dann wurde die ganze Schwarte gespült und nochmals gereinigt, bevor der Arzt sie wieder annähte.
Als ich Frau Z. im Rollstuhl und mit einem riesigen Turbanverband auf die Station brachte, saÃen ihr Mann und ihr Bruder leichenblass auf dem Flur. Andrea Z. würdigte sie keines Blickes.
»Das verzeihe ich euch nie«, zischte sie nur, als ich sie an den Männern vorbeischob.
Ich konnte sie verstehen. Seinen vierzigsten Geburtstag stellt man sich doch ein wenig anders vor.
***
Für das Leiden von Horst T. waren keine Familienangehörigen verantwortlich. Er selbst hatte in seinem Leben alles dafür getan, damit ihn eines Tages der Schlag traf.
Der 63-jährige Mann war extrem übergewichtig und rauchte sechzig Rothändle ohne Filter am Tag. Dennoch schien er nicht damit gerechnet zu haben, dass diese selbstzerstörerische Lebensweise irgendwann einmal Auswirkungen auf seine Gesundheit haben würde.
Allen adipösen Kettenrauchern sei an dieser Stelle gesagt: Ihr Körper wird es Ihnen früher oder später übel nehmen. Also entweder abspecken und Nichtraucher werden, oder nicht so überrascht sein, wenn der Körper sich eines Tages mit einem Schlaganfall rächt.
Die ersten sechzig Minuten nach einem Schlaganfall sind bekanntlich sehr wichtig. Wer schnell ins Krankenhaus gebracht wird, hat bessere, um nicht zu sagen richtig gute Chancen auf eine vollständige Genesung.
Horst T. kam leider nicht schnell zu uns. Seine Frau war beim Frisör, als er den Schlaganfall bekam, und da sie eine aufwendige Dauerwelle inklusive Blondierung auf dem Kopf trug, dauerte es ein Weilchen, bevor sie wieder zu Hause war und ihren Göttergatten reglos auf dem Boden fand.
»Wie lange ist er schon in diesem Zustand?«, fragte ich die aufgelöste Ehefrau, während sich unsere Notärzte um das Leben von Horst T. bemühten.
»Keine Ahnung!«, schluchzte die Frau und begann zu rechnen. »Ich war drei Stunden beim Frisör, eine halbe Stunde hin, eine Stunde zurück â also er war fast fünf Stunden alleine!«
Ich fragte mich unwillkürlich, warum der Hinweg zum Frisör nur eine halbe Stunde gedauerte hatte, der Rückweg aber eine ganze, aber das beantwortete mir Frau T. in dem Moment schon selbst.
»Ich habe keinen Führerschein, müssen Sie wissen. Und auf dem Rückweg hatte ich den Bus verpasst. Ich mache mir solche Vorwürfe! Wenn ich pünktlich gewesen wäre, ginge es ihm jetzt vielleicht besser!«
»Das kann man nicht wissen«, versuchte ich, sie zu beruhigen. »Vielleicht hat er den Schlaganfall auch bekommen, als Sie gerade aus der Tür waren.«
Es war ein harter Kampf, den 180 Kilo schweren Horst T. am Leben zu halten. Aber die Ãrzte gewannen ihn letztendlich.
Während der vielen Tage, die er auf der Intensivstation verbrachte, traf ich seine Frau immer wieder auf den Fluren des Krankenhauses. In knappen Sätzen erzählte sie mir, welche Fortschritte ihr Mann machte und wie sehr sie sich darüber sorgte, wie das Leben nun weitergehen sollte.
»Mein Mann hat sich doch immer um alles gekümmert«, sagte sie betrübt. »Was soll ich denn jetzt machen, wenn er das nicht mehr kann? Wer kümmert sich denn dann um unsere Finanzen, unsere Wohnung, wer fährt zum Einkaufen â wer soll das denn bloà alles machen?«
Ich sah ihr an, dass sie nur eine Antwort von mir hören wollte: Ihr Mann wird bald wieder ganz gesund sein und sich dann wieder um alles kümmern.
Leider konnte ich ihr das beim besten Willen nicht sagen.
»Sie werden sich um diese Dinge selbst kümmern müssen«, erklärte ich stattdessen.
»Wollen Sie damit sagen, dass mein Mann hinüber ist?«, fragte sie.
Abgesehen davon, dass ich diesen Ausdruck niemals benutzen würde â Horst T. war schlieÃlich kein Gebrauchsgegenstand, â, beschrieb er die Situation in gewisser Weise doch recht treffend.
»Es wird dauern, bis er wieder ganz der Alte ist«, antwortete ich ausweichend. »Möglicherweise wird er nie wieder
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