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Spritzenmäßig: Kurioses, Krasses und Komisches aus der Notaufnahme

Spritzenmäßig: Kurioses, Krasses und Komisches aus der Notaufnahme

Titel: Spritzenmäßig: Kurioses, Krasses und Komisches aus der Notaufnahme Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anna Tarneke
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Zähne ziehen, und Ihr Junge bekommt ein Gebiss. Das wird die Zahnhygiene in Zukunft deutlich erleichtern, und er ist die verfaulten Dinger los.«
    Aufgrund des großen Gesundheitsrisikos, das verfaulte Zähne mit sich bringen, war es wichtig, dass Dennis B. davon befreit wurde.
    Seine Eltern willigten sofort ein.
    Als Dennis B. unter der Vollnarkose tief und fest schlief, sah unser Zahnarzt sich das Ganze an.
    Â»Wow!«, war das Erste, was ihm entfuhr. Dann griff er zu einem scharfen Instrument und begann vorsichtig, an der dicken schwarzen Schicht zu kratzen.
    Â»Bevor ich die alle rausziehe, will ich doch mal sehen, was darunter ist«, sagte er konzentriert und arbeitete sich mühsam durch die dicke Schicht.
    Und dann geschah das Unglaubliche. Unter einer ein Millimeter dicken Schicht aus Zahnstein kam ein schneeweißes, vollkommen makelloses Gebiss zum Vorschein. Kein einziger Zahn hatte Karies, geschweige denn ein Loch oder sonst irgendwelche Schäden. Im Gegenteil. Die Zähne aus einer Zahnpasta-Werbung hätten nicht besser aussehen können.
    Â»Wow!«, entfuhr es nun auch mir, und der Zahnarzt nickte stolz.
    Als Dennis B.s Eltern die Zähne ihres Sohnes sahen, konnten sie es nicht fassen.
    Â»Das sollen seine echten Zähne sein? Sie machen Witze!«, sagte der Vater erstaunt.
    Â»Nein. Dadurch dass die Zähne jahrelang keine Zahnbürste gesehen haben, konnte sich der Zahnstein in Ruhe entwickeln«, erklärte ich ihnen. »Und der hat die Zähne praktisch eingemauert, da kamen keine Bakterien und kein Karies durch! Die sind perfekt in Schuss!«
    Â»Unglaublich!«
    Ich nickte und hielt Dennis B. einen Spiegel vors Gesicht.
    Â»Schauen Sie mal«, sagte ich zu dem jungen Mann. »Das sind Ihre Zähne. Wenn Sie wollen, dass die in Zukunft immer so aussehen, müssen Sie die ab jetzt putzen. Und zwar gründlich.«
    Als Dennis B. seine strahlend weißen Zähne sah, musste er lachen. Er lachte und lachte und sah rundum glücklich aus, und sein Atem roch einwandfrei.
    Ich weiß nicht, ob die Putzphobie des jungen Mannes damit vorbei war, aber ich hatte das Gefühl, dass er zumindest hoch motiviert war.
    ***
    Es gibt leider auch Eltern, die weniger fürsorglich sind. Sie treiben ihre Kinder durch ihre Art der Erziehung – ohne Gewaltanwendung wohlgemerkt – zu uns in die Notaufnahme.
    Lea S. wurde mit dem Rettungswagen zu uns gebracht. Die 16-jährige Schülerin war schneeweiß im Gesicht und klagte über Atemnot und Übelkeit.
    Â»Seit wann hast du das?«, fragte ich sie.
    Â»Seit heute Morgen«, stöhnte Lea. »Ich bin erst mal in die Schule und hab dann irgendwann doch den Notarzt gerufen.«
    Â»Wissen deine Eltern, dass du hier bist?«
    Â»Sch*** nein. Meine Ma würde mir den Kopf abreißen.«
    Â»Wieso das denn?«, fragte ich verblüfft.
    Ich konnte mir nicht vorstellen, dass irgendeine Mutter ihr Kind zusammenfaltet, wenn es in einer Notsituation um Hilfe ruft.
    Â»Wegen Latein. Ich hab in der vierten ’ne Klausur. Können Sie mir ein bisschen Valium aufschreiben? Dann pack ich das noch.«
    Ich war irritiert.
    Â»Moment, Moment. Dir geht es also so schlecht, weil du wegen deiner Klassenarbeit so aufgeregt bist?«
    Lea zuckte nur mit den Achseln.
    Â»Schätze schon.«
    Auf so eine Einschätzung konnte ich mich natürlich nicht verlassen, und so wurde das Mädchen erst mal von Kopf bis Fuß durchgecheckt – es war schließlich nicht ausgeschlossen, dass sie vielleicht doch krank war. Aber tatsächlich fehlte ihr nichts.
    Â»Ich hab doch gesagt, ich brauche nur ein bisschen Valium, dann geht’s schon wieder.«
    Ich sah sie kopfschüttelnd an.
    Â»Weißt du eigentlich, was du da redest? Valium ist ein sehr starkes Medikament! Hast du das schon mal genommen?«
    Sie nickte nur.
    Â»Wann und warum?«
    Â»Neulich, vor Mathe.«
    Â»Und wo hattest du das her???«
    Das Mädchen zuckte nur mit den Schultern.
    Â»Meine Oma ist vor ein paar Jahren an Darmkrebs gestorben. Bei uns zu Hause. Und da hat sie das Zeug immer bekommen. Ein bisschen was war noch übrig. Aber jetzt ist mein Vorrat alle, und ohne stehe ich die Klausur nicht durch.«
    Ich konnte es nicht fassen. Da bediente sich ein Teenager am heimischen Medikamentenschrank und flößte sich aus Prüfungsangst die Medizin ein, die ursprünglich einer Sterbenden verordnet worden war,

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